Leitsatz (redaktionell)

Die unterschiedliche Besteuerung von Bier und Wein verstösst weder gegen Gemeinschaftsrecht (Art. 90 EGV ex. Art. 95) noch gegen nationales Verfassungsrecht.

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.08.2002; Aktenzeichen VII R 105/99)

 

Tatbestand

Die Klägerin importiert als deutscher Vertriebspartner und Vertragshändler für den norddeutschen Raum von der C-Brauerei irische Biere, die gemäß dem deutschen Biersteuergesetz -BierStG- 1993 (Bundesgesetzblatt I, S. 2158) zur Biersteuer herangezogen werden.

Die Klägerin ist durch Bescheid des Beklagten vom 16.2.1994 als berechtigter Empfänger für den Bezug von verbrauchsteuerpflichtigen Waren unter Steueraussetzung aus anderen Mitgliedsstaaten der EU zugelassen. Am 30.3.1994 bezog sie von der Brauerei C (Irland) 120 KEG-Fässer à 50 l C Bier 11,91 Plato. Mit Biersteuererklärung vom 5.4.1994 erfolgte bei der Zentralstelle Biersteuer, Stuttgart, die Steuermeldung als „F” Fremdbiere. Mit Biersteuerbescheid vom 13. April 1994 für den Monat März 1994 (Nr. …; Zulassungs-Nr.: …) nahm der Beklagte die Klägerin auf Zahlung von Biersteuer in Höhe von DM 1016,40 in Anspruch.

Gegen diesen Biersteuerbescheid erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 29. April 1994 (Eingang beim Niedersächsischen Finanzgericht: 3. Mai 1994) Sprungklage gemäß § 45 FGO. Mit Schreiben des Finanzgerichtes Hamburg vom 16.9.1994 wurde diese Sprungklage dem Beklagten zugestellt, der mit dem Schriftsatz vom 28.9.1994 seine Zustimmung zu der Klagerhebung ohne Vorverfahren erteilte.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin u.a. Folgendes vor:

Der angefochtene Biersteuerbescheid sei rechtswidrig, da das zugrunde liegende deutsche Biersteuergesetz diskriminierenden Charakter habe und gegen Gemeinschaftsrecht (Art. 90 des Vertrages über die Europäische Union in der Fassung des Vertrages von Amsterdam -EGV-; zuvor Art. 95 EGV) verstoße. Während Wein nämlich keinerlei Verbrauchsteuern unterliege, werde auf Bier eine hohe Verbrauchsteuer erhoben, die ab 1.1.1993 noch einmal erhöht worden sei und nunmehr nach § 2 Abs. 1 BierStG 1993 pro hl DM 1,54 je Grad Plato betrage. Im Hinblick auf eingeführte Biere aus anderen EG-Mitgliedsstaaten sei diese Besteuerung diskriminierend und verstoße gegen Art. 90 Abs. 2 EGV (ex Art. 95 Abs. 2 EGV). Außerdem verletze die deutsche Regelung den gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz insofern, als importierte Ware gegenüber einheimischen Konkurrenzprodukten diskriminiert werde. Durch die Nichtbesteuerung des Weins und die Besteuerung des Bieres werde sie (die Klägerin) als Vertriebspartner der irischen Brauerei sowie mittelbar die irische Brauerei im Wettbewerb mit dem Wein als Substitutionsgetränk für Bier auf dem deutschen Markt beeinträchtigt. Die Steuersituation stelle sich als sog. grenzüberschreitendes Handelshemmnis im Bereich der Gemeinschaft dar. Der bei einem Liter Bier anfallende Steueranteil von etwa 0,18 DM habe eine -von Art. 90 EGV verbotene- protektionistische Wirkung im Hinblick auf billigen einheimischen Konsumwein.

Die Klägerin regt an, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.

Die Klägerin beantragt,

den Biersteuerbescheid des Beklagten für den Monat März 1994 vom 13. April 1994 aufzuheben und die Biersteuer auf DM 0,– festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er u.a. Folgendes vor:

Die unterschiedliche Besteuerung von Wein und Bier in Deutschland verstoße nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Die fehlerfreie Umsetzung geltenden Rechts der Europäischen Union – hier: Anwendung der Mindeststeuersätze bei Bier und Wein gemäß der Richtlinie 92/84/EWG – in nationales Recht durch das Mitgliedsland Deutschland könne grundsätzlich keinen Verstoß gegen den EWG-Vertrag darstellen. Die Ausführungen der Klägerin über einen angeblich eingestandenen Protektionismus zugunsten von Wein in Deutschland gingen fehl:

Er (der Beklagte) habe vielmehr ausgeführt, dass die Förderung und Sicherung des Weinbaues erklärte Aufgabe der Agrarpolitik der Gemeinschaft sei. Die Agrarpolitik mit dem Ziel der Stützung und Erhaltung landwirtschaftlicher Strukturen sei aber ein Grundpfeiler des Gemeinschaftsrechtes (3. Teil, Titel II, insbesondere Art. 39 EGV – nunmehr Art. 33 –). Der Schutz u. a. des Weinbaues richte sich allein gegen Drittländer.

Das sei bei der kontroversen Diskussion um den Null-Satz bei der Weinsteuer mit berücksichtigt worden. Eine Änderung könne deshalb auch nur von der Kommission vorgenommen werden.

Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 95 Abs. 2 EGV (a.F.) vor, der den Schutz „anderer Produktionen” vorsehe. Seit der Harmonisierung im Verbrauchsteuerbereich durch Festlegung verbindlicher Mindeststeuersätze im EG-Recht könne Art. 95 Abs. 2 EGV (a.F.) insoweit allenfalls in besonders gelagerten Einzelfällen noch Anwendung finden. Ein solcher Grund liege aufgrund der Umsetzung der – von den Mitgliedsstaaten einstimmig beschlossenen – Richtlinien im nationalen Bereich durch die Festsetzung der EU-rechtlich vorgeschriebenen Mindeststeue...

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