Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung nach Ablauf eines Jahres wegen höherer Gewalt bei Prozessunfähigkeit des steuerlichen Beraters?
Leitsatz (amtlich)
Die Prozessunfähigkeit des steuerlichen Beraters während der Einspruchs- und Wiedereinsetzungsfrist rechtfertigt keine Wiedereinsetzung nach Ablauf eines Jahres wegen höherer Gewalt (§ 110 Abs. 3 AO), wenn dem Steuerpflichtigen die steuerlichen Folgen bekannt waren und er während der Jahresfrist von einem weiteren Angehörigen der steuerberatenden Berufe auch in der betreffenden steuerlichen Angelegenheit vertreten wurde.
Normenkette
AO § 110 Abs. 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in formaler Hinsicht darüber, ob der Klägerin wegen Versäumnis der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Materiell-rechtlich ist zwischen den Beteiligten streitig, ob Aufwendungen der Klägerin für Beratungsleistungen ihres Geschäftsführers verdeckte Gewinnausschüttungen darstellen.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1992 errichtete GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 DM. Ihr Geschäftsgegenstand ist der Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit ...Maschinen. Aufgrund der von der Klägerin abgegebenen Steuererklärungen ging der Beklagte in den ursprünglich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) erlassenen Körperschaftsteuerbescheiden für die Streitjahre von folgendem Jahresüberschuss aus:
Jahr |
1993 |
1994 |
1995 |
1996 |
Jahresüberschuss |
- 911 DM |
5.744 DM |
-11.105 DM |
15.642 DM |
Körperschaftsteuer |
0 DM |
5.348 DM |
5.286 DM |
14.619 DM |
KSt-Bescheid vom1 |
9.6.1995 |
8.10.1996 |
23.9.1997 |
30.4.1998 |
Aufgrund Prüfungsanordnungen vom 02.12.1998 und 16.06.1999 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Streitjahre durch. Im Rahmen dieser Prüfung beanstandete der Außenprüfer u. a., dass der Geschäftsführer der Klägerin für Tätigkeiten, die er aufgrund eines gesonderten Beratervertrages gegenüber der Klägerin erbrachte, Zahlungen in Höhe von jährlich 24.000 DM zuzüglich 3.600 DM Umsatzsteuer (USt) erhalten hatte. Der Prüfer behandelte diese Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen und gelangte im Anschluss an seine Prüfung zu folgenden Besteuerungsgrundlagen:
Jahr |
1993 |
1994 |
1995 |
1996 |
J.überschuss nach Bp |
- 32.322 DM |
3.034 DM |
-10.531 DM |
3.909 DM |
Verdeckte Gew.ausschütt. |
27.600 DM |
27.600 DM |
27.600 DM |
27.600 DM |
Stbilanzgew. nach Bp 1 |
8.694 DM |
53.590 DM |
36.644 DM |
59.817 DM |
Nach dem Bericht über die Außenprüfung vom 17.09.1999 nahmen an der Schlussbesprechung vom 24.06.1999 neben dem Geschäftsführer der Klägerin dessen jetziger Prozessbevollmächtigter und ein weiterer Mitarbeiter des Steuerberaterbüros, ein Herr A, teil. Dem Bericht zufolge wurde bei allen Prüfungsfeststellungen Einvernehmen erzielt, Einwendungen hatte die Klägerin sich nicht vorbehalten. Der Beklagte schloss sich den Feststellungen der Außenprüfung an und änderte die Körperschaftsteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre gemäß § 164 Abs. 2 AO. Die geänderten Steuerbescheide wurden am 12.11.1999 zur Post und der Klägerin, adressiert an ihren Geschäftsführer, bekannt gegeben.
Mit einem von Herrn A unterschriebenen Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 07.12.1999 (Bl. 145 Körperschaftsteuerakten) bat die Klägerin um Stundung der aus der Betriebsprüfung resultierenden Steuernachforderung und Gewährung von Ratenzahlung. Nachdem der Beklagte dem entsprochen hatte, ließ die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten (unterschrieben von Herrn A) vom 09.02.2000 um Aussetzung der Stundungsraten für einen Monat wegen eines finanziellen Engpasses bitten. Mit Schreiben vom 30.04.2000 wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin persönlich an den Beklagten und bat um Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärungen 1998, da er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, die Steuererklärungen fristgerecht zu erstellen. Er habe es bis jetzt immer noch nicht geschafft, den dadurch entstandenen Rückstand vollends aufzuholen. Für den Prozessbevollmächtigten wurde mit Beschluss des Amtsgerichts G vom 31.10.2000 (Az.: ...) ein vorläufiger Betreuer (Aufgabenkreis: Vermögenssorge) bestellt. Wegen der Begründung dieses Beschlusses wird auf Bl. 15 - 17 der Rb-Akte Bezug genommen.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 04.04.2002 (Bl. 2 Rb-Akte) begehrte die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und beantragte, die Steuerbescheide dahingehend zu ändern, dass in Höhe von 27.600 DM nicht von einer verdeckten Gewinnausschüttung ausgegangen werde. Dem Schreiben war ein Protokoll des Amtsgerichts Hamburg-... vom 28.03.2001 (Aktenzeichen: ...) sowie eine ärztliche Bescheinigung des Krankenhauses ... vom 26.03.2001 beigefügt. Aus dieser Bescheinigung geht hervor, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Zeit vom 07.11.-15.12.2000 stationär im Krankenhaus ... psychiatrisch und psychotherapeutisch behandelt worden sei und er sich in einer schweren depressiven Phase mit dem Bild einer Pseudo-Demenz befunden ...