Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlöschen des Anspruchs auf Zahlung von Ausfuhrerstattung durch Aufrechnung

 

Leitsatz (amtlich)

Jede Aufrechnung durch die Behörde hat zur unabdingbaren Voraussetzung, dass die Gegenforderung materiell-rechtlichen auch tatsächlich besteht, was im Falle der Anfechtung des der Gegenforderung zugrunde liegenden Verwaltungsaktes erst feststeht, wenn das Anfechtungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

 

Normenkette

AO § 226

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Ausfuhrerstattung durch Aufrechnung erloschen ist.

Die Klägerin führte in den Jahren 1990 und 1991 reinrassige Zuchtrinder in verschiedene Drittländer aus. Für die Ausfuhr dieser Erzeugnisse gewährte ihr das beklagte Hauptzollamt antragsgemäß Ausfuhrerstattung. Nachdem Ermittlungen des Zollfahndungsamtes Z Anhaltspunkte dafür ergaben, dass die Klägerin für die Ausfuhr dieser Tiere die nach Gemeinschaftsrecht erforderlichen Zucht- und Gesundheitsbescheinigungen nicht vorgelegt haben könnte, forderte das beklagte Hauptzollamt mit Rückforderungsbescheiden vom 8. und 16.7.1993 die der Klägerin gewährte Ausfuhrerstattung in Höhe von insgesamt DM 916.819,29 zurück. Hiergegen wandte sich die Klägerin nach erfolglosen Einspruchsverfahren mit ihren Anfechtungsklagen vom 23.12.1998. Mit rechtskräftigen Urteilen vom 22.2.2006 (IV 83/05 bzw. IV 84/05) hob das Finanzgericht in der Folgzeit die Rückforderungsbescheide vom 8. und 16.7.1993 jeweils auf.

Aufgrund verschiedener Ausfuhren lebender Bullen im Jahre 1993 standen der Klägerin Ansprüche auf Ausfuhrerstattungen in Höhe von insgesamt DM 917.947,73 zu, die das beklagte Hauptzollamt mit Bescheid vom 22.11.1993 festsetzte, jedoch lediglich in Höhe von DM 1.128,45 an die Klägerin auszahlte. In Höhe des nicht ausgezahlten Teils von DM 916.819,28 erklärte das beklagte Hauptzollamt in dem Bescheid vom 22.11.1993 die Aufrechnung mit Rückzahlungsansprüchen aus den Rückforderungsbescheiden vom 8. und 16.7.1993.

Die Klägerin legte gegen die Aufrechnungserklärung des beklagten Hauptzollamtes Einspruch ein, den das beklagte Hauptzollamt in der Folge mit Einspruchsentscheidung vom 4.2.2003 als unzulässig verwarf; die hiergegen erhobene Klage ist beim Finanzgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen 4 K 267/03 anhängig.

Bereits am 15.9.1997 hatte die Klägerin Leistungsklage mit dem Antrag erhoben, das beklagte Hauptzollamt zu verurteilen, ihr DM 916.890,28 zuzüglich 8,75 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es ist der Ansicht, dass die von der Klägerin begehrte Zahlung aus dem ursprünglichen Bescheid vom 22.11.1993 bereits durch die erklärte Aufrechnung erfolgt sei. Zwar habe das Finanzgericht die zur Aufrechnung herangezogenen Rückforderungsbescheide vom 8. und 16.7.1993 zwischenzeitlich mit rechtskräftigen Urteilen vom 22.2.2006 aufgehoben. Dieser Umstand führe indes lediglich dazu, dass der Klägerin ein Anspruch auf Ausfuhrerstattung aus diesen Rückforderungsbescheiden heraus erwachsen sei; die Zulässigkeit und Wirksamkeit der erklärten Aufrechnung selbst werde dagegen durch die Aufhebung der Rückforderungsbescheide nicht berührt. Für die vorliegende Klage sei damit der Streitgegenstand entfallen.

Mit Beschluss vom 20.9.2006 hat das Gericht das Verfahren betreffend die von der Klägerin geltend gemachten Rechtshängigkeitszinsen abgetrennt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das erkennende Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Die erhobene Leistungsklage führt zum Erfolg. Die Klägerin hat gegenüber dem beklagten Hauptzollamt Anspruch auf Zahlung von Ausfuhrerstattung in Höhe von DM 916.890,28. Dieser Zahlungsanspruch der Klägerin ist durch die vom beklagten Hauptzollamt mit Bescheid vom 22.11.1993 erklärte Aufrechnung nicht erloschen. Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten merkt das erkennende Gericht im Einzelnen Folgendes an:

Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Aufrechnungserklärung einer Finanz- oder Zollbehörde kein Verwaltungsakt, sondern die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts ist (vgl. nur BFH, Urteil vom 17.9.1987 - VII R 50 - 51/86 -, juris). Nach allgemeiner Meinung sind auch in Ermangelung besonderer öffentlich-rechtlicher Aufrechnungsvorschriften für den Bereich des gemeinschaftsrechtlichen Ausfuhrerstattungsrechts die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Aufrechnung entsprechend heranzuziehen (vgl. bereits BFH, Urteil vom 18.12.1979 - VII 18/77 -, juris; sowie BFH, Urteil vom 20.7.2004 - VII R 28/03 -, juris). Dass schließlich die Finanz- bzw. Zollbehörde grundsätzlich auch mit solchen Forderungen aufrechnen kann, die vom Aufrechnungsgegner bestritten und noch nicht rechtskräftig festgestellt worden sind, ...

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