Entscheidungsstichwort (Thema)
Dürfen Erzeugnisse aus Steuerlagern unter Steueraussetzung aus dem Verbrauchsteuergebiet der Europäischen Gemeinschaft ausgeführt werden?
Leitsatz (amtlich)
Zu der Frage, durch welche Unregelmäßigkeit und in welchem Mitgliedstaat eine Branntweinsteuerschuld entsteht, wenn Branntwein im Steueraussetzungsverfahren von Portugal im Gemeinschaftsgebiet transportiert, dann aber nicht bei der Ausgangszollstelle gestellt wird.
Grundsätzlich ist auf die zeitlich erste Entziehungshandlung abzustellen (hier Vorlage gefälschter Papiere beim Zollamt M. (Portugal) zur Eröffnung des Steueraussetzungsverfahrens, dessen ordnungsgemäße Erledigung nie beabsichtigt war).
Zur Anwendung von § 143 BranntwMonG
Normenkette
BranntwMonG § 143
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Branntweinsteuerfestsetzungsbescheid.
Im Jahr 1995 verkaufte die Klägerin, die Inhaberin eines Zolllagers ist, drei Alkohollieferungen an die Firma A. in L., Russland. Die Alkoholsendungen wurden am 12.5., 4.8. und 30.8.1995 bei der Klägerin geladen und anschließend jeweils vom Zollamt M. (Portugal) mit Zolldokument T 1 und den begleitenden Verwaltungsdokumenten unter Zollverschluss zur Ausfuhr im Steueraussetzungsverfahren nach Russland abgefertigt.
Aus dem Bericht des Zollfahndungsamts N. vom 25.3.1997 ergibt sich, dass drei aus Norwegen stammende Straftäter (B. C., D. E., G. H. I.) bei der Klägerin die Alkoholsendungen unter Vorlage gefälschter Geschäftspapiere der Firma A. aus L. (Russland) bestellten bzw. an dem weiteren strafrechtlich relevanten Sachverhalt beteiligt waren. Unter Verwendung eines gefälschten Stempels des Hauptzollamts O. seien die Sendungen erledigt worden. Das Zolldokument T 1 sei an die Abgangszollstelle M. (Portugal) zurückgesandt worden. Mit Urteilen des Landgerichts Oldenburg vom 16.12. und 23.12.1997 (2 KLs 32/97 - W - und 2 KLs 10/97 - W -) wurden die Täter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu Freiheitsstrafen verurteilt. In den Strafurteilen hat das Landgericht Oldenburg diesen Sachverhalt ebenfalls festgestellt. Weiter führt das Landgericht aus, der von B. C. bestellte und am 12.5.1995 verladene Alkohol sei nach der Abfertigung in M. (Portugal) nicht entsprechend den Zollpapieren über die Bestimmungszollstelle P. (Niederlande) nach Russland ausgeführt, sondern von D. E. nach Deutschland verbracht und dort durch Entladen dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden, ohne dass dies von den Beteiligten der zuständigen Zollstelle angezeigt worden sei. Der weitere Verbleib des Alkohols sei ungeklärt. Entsprechend habe es sich mit den Ladungen vom 4.8. und 30.8.1995 verhalten, wobei aber nicht sicher sei, dass D. E. alle Transporte durchgeführt habe.
Mit Steuerbescheid vom 2.7.2002 nahm der Beklagte die Klägerin wegen Branntweinsteuer in Höhe von insgesamt 689.329,08 € in Anspruch. Dabei nahm der Beklagte Bezug auf die Ermittlungen des Zollfahndungsamts N. und die Urteile des Landgerichts Oldenburg. Den Abgabenbetrag schulde die Klägerin gesamtschuldnerisch in voller Höhe mit B. C. und hinsichtlich der Lieferung vom 12.5.1995 in Höhe von 200.680,02 € gesamtschuldnerisch mit D. F. (früher D. E.).
Mit Schreiben vom 1.8.2002 hat die Klägerin Einspruch eingelegt. Zunächst beruft sie sich auf Festsetzungsverjährung gemäß § 147 Abs. 1 BranntwMonG, Art. 221 Abs. 3 ZK. Danach dürfe die Mitteilung an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld grundsätzlich nicht mehr erfolgen. Ein Fall des Art. 221 Abs. 3 S. 2 ZK, 169 AO liege nicht vor, da sie sich gemäß § 169 Abs. 2 S. 3 AO exkulpieren könne. Sie habe durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt. Da auch bei einer legalen Lieferung nach L. (Russland) keine Verbrauchsteuer angefallen wäre, habe die Branntweinsteuer bei ihrer Kalkulation keine Rolle gespielt. Denke man die Hinterziehung der Branntweinsteuer weg, stünde sie nicht anders da, als sie nunmehr tatsächlich stehe. Selbst wenn man von einem Verbringen in den freien Verkehr im Zollgebiet ausginge, hätte sie keinen Vermögensvorteil erlangt, weil sie dann die Branntweinsteuer dem Abnehmer durch einen entsprechend höheren Verkaufspreis weiterbelastet hätte. Die der Firma A. in Rechnung gestellten Verkaufspreise basierten auf der Annahme, dass keine Branntweinsteuer entstehen würde. Zudem habe sie auch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zur Verhinderung von Steuerverkürzungen aufgewandt. Sie habe keinerlei Grund gehabt, an der steuerrechtlichen Abwicklung der Alkohollieferungen zu zweifeln. Es habe sich um normale und völlig unverdächtige Bestellungen gehandelt. Sie sei ebenso getäuscht worden, wie die beteiligten Zollbehörden. Erst nach der dritten Lieferung vom 30.8.1995 sei sie seitens der portugiesischen Zollbehörden darüber informiert worden, dass die Erledigungsvermerke bzw. Zollstempel gefälscht gewesen seien. Danach habe sie nach Kräften an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentschei...