Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer: Doppelte Haushaltsführung innerhalb einer großflächigen Gemeinde?
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Anforderungen an das Auseinanderfallen von Ort des eigenen Hausstandes und Beschäftigungsort auch bei Belegenheit von Familienwohnung und Zweitwohnung in einer großflächigen Gemeinde.
2. Ebenso wie für den Begriff des Beschäftigungsortes kommt es auch für die Frage des Auseinanderfallens des Ortes des eigenen Hausstandes und des Beschäftigungsortes nicht auf politische Grenzen an.
3. Der Ort es eigenen Hausstandes und der Beschäftigungsort müssen aus der Perspektive beider Orte auseinanderfallen. Befindet sich der eigene Hausstand am Beschäftigungsort im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BFH, scheidet daher eine doppelte Haushausführung aus.
Normenkette
EStG 2010 § 9 Abs. 1 S. 3 Nrn. 5, 4 S. 6
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen des Klägers für eine Zweitwohnung als Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und damit als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger wohnen seit 1997 mit ihren beiden ... und ... geborenen Kindern in Hamburg ..., X-Straße in einem Einfamilienhaus. Der Kläger ist Rechtsanwalt und Steuerberater und seit ... 2009 Geschäftsführer ... in Hamburg, Y-Straße. Zum 01.05.2010 mietete er eine 46 qm große Zweizimmerwohnung in Hamburg ..., Z-Straße (Zweitwohnung) an. Die Entfernung zwischen der Familienwohnung in Hamburg ... und dem Arbeitsplatz des Klägers in Hamburg ... beträgt gemäß Berechnungen eines Routenplaners 25,24 km und ist mit dem Pkw in einer Zeit von 41 Minuten zurückzulegen. Demgegenüber beträgt die Entfernung von der Wohnung in Hamburg ... zum Arbeitsplatz des Klägers 3,5 km bei einer Fahrzeit von neun Minuten. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln beträgt die Wegezeit von der Familienwohnung in Hamburg ... zum Arbeitsplatz des Klägers knapp eine Stunde.
Mit der Einkommensteuererklärung für 2010 erklärte der Kläger Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 10.717 €, die neben Fahrtkosten in Höhe von 8 € für die erste und letzte Fahrt zum Arbeitsplatz und 186 € für Familienheimfahrten Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 1.404 € sowie Aufwendungen für die Anmietung und Ausstattung der Zweitwohnung in Höhe von 9.119 € enthielten. Der Beklagte berücksichtigte diese Aufwendungen bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 2010 mit Bescheid vom 10.05.2012 nicht. Der rechtzeitig eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 09.11.2012 als unbegründet zurückgewiesen, wobei die Einkommensteuer aus hier nicht streitigen Gründen erhöht wurde. Mit Bescheid vom 30.11.2012, bezeichnet als Anlage zur Einspruchsentscheidung für 2010, setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2010 aus hier ebenfalls nicht streitigen Gründen auf 62.414 € herab.
Die Kläger begehren mit der am 07.12.2012 erhobenen Klage die Berücksichtigung von Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 10.717 €. Sie tragen vor, der Kläger halte sich wegen seiner langen Arbeitszeiten lediglich von Freitagabend bis Sonntagabend bzw. bis Montag früh in der Familienwohnung auf und fahre ansonsten täglich von seinem Arbeitsplatz zur Zweitwohnung und übernachte dort. Es sei unschädlich, dass sowohl der Ort des eigenen Hausstandes wie der Beschäftigungsort sich in Hamburg befänden. Für die Frage, ob Beschäftigungsort und Ort des eigenen Hausstandes auseinanderfallen, komme es nicht auf politische Gemeindegrenzen an. Maßgeblich sei auch nicht, ob der Beschäftigungsort von dem Ort des eigenen Hausstandes in zumutbarer Weise erreichbar sei. Vielmehr müsse darauf abgestellt werden, ob sich der Beschäftigungsort (noch) am Ort des privaten Lebensmittelpunktes befinde, in dessen näherer Umgebung der Steuerpflichtige üblicherweise sein Privatleben führe. Hierzu nehmen die Kläger insbesondere Bezug auf eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Berlin vom 29.07.1985, VIII 221/84, EFG 1986, 286, in der eine doppelte Haushaltsführung bei einem Familienhausstand und einer Unterkunft in einem Personalwohnheim beim Arbeitsplatz jeweils innerhalb Berlins, aber mit einer Entfernung von 15 bis 20 km zwischen der Familienwohnung und der Zweitwohnung bejaht wurde, sowie auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19.04.2012, VI R 59/11, BFHE 237,449, BStBl II 2012, 833 zum Begriff der Wohnung am Beschäftigungsort. Aus dem Urteil des BFH sei zu folgern, dass die politische Gemeindegrenze nicht nur für den Begriff des Beschäftigungsortes unerheblich sei, sondern auch kein Kriterium dafür sein könne, ob der Ort des eigenen Hausstandes und der Beschäftigungsort auseinanderfielen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 30.11.2012 dahingehend zu ändern, dass Mehraufwendungen des Klägers für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 10.717 € als zusätzliche Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksi...