Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 150/21)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Mindestlohngesetz - Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz: Prüfungsverfügung mit Bezug zu im Inland tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausländischer Arbeitgeber

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach den Umständen des Einzelfalls ist der Zoll berechtigt, eine Liste von im Inland tätig gewordenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vom ausländischen Arbeitgeber anzufordern, insbesondere wenn der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Meldung nach § 16 MiLoG nicht nachgekommen ist.

2. Im Anschluss an BFH, Urteil vom 18. August 2020, VII R 34/18.

 

Normenkette

SchwarzArbG § 2; MiLoG §§ 15-16; MiLoMeldV § 2

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Prüfungsverfügung nach dem Mindestlohngesetz und dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz.

Die Klägerin ist ein international tätiges Transportunternehmen mit Sitz in A, Lettland, dessen Muttergesellschaft ihren Sitz in B, Niederlande, hat. Die Klägerin führt nach ihren eigenen Angaben unter anderem kurzfristige Kabotagetätigkeiten und Transitfahrten in Deutschland durch.

Am 22. Juni 2016 führte der Beklagte auf dem Parkplatz ... in C eine Prüfung nach §§ 2, 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) i.V.m. § 15 S. 1 Nr. 1 des Mindestlohngesetzes (MiLoG)durch. Die Bediensteten des Beklagten trafen einen Fahrer der Klägerin, Herrn D, mit dem von ihm geführten Lastkraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen XX an. Er hatte gemäß dem Frachtbrief (...) Speiseöl von Großbritannien nach E befördert und dort am 22. Juni 2016 entladen. Nachfolgend lud er in E russisches Calcium-Natrium-Phosphat mit Bestimmungsort in Lettland.

Mit Prüfungsverfügung vom 7. Oktober 2016 (xxx) forderte der Beklagte die Klägerin in englischer Sprache auf, für ihren Fahrer, Herrn D, geboren am ... 1961, für die Zeit von Juni 2015 bis Juli 2016 Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen, Nachweise über die Zahlung der Löhne, Arbeitsstundenaufzeichnungen, Unternehmensnamen und -adressen von Be- und Entladeorten, monatliche Aufzeichnungen bzw. ein Reiseliste aus dem Mautsystem "Toll Collect" sowie eine Liste der in Deutschland beschäftigten bzw. tätigen Fahrer und deren Fahrzeugen mit den amtlichen Kennzeichen an den Beklagten zu übersenden. Er berief sich dabei auf die Ermächtigungsgrundlagen im Mindestlohngesetz in Verbindung mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und insbesondere auf die Verpflichtung der Klägerin, eine Einsatzplanung nach der Mindestlohnmelderverordnung (MiLoMeldV) vorzulegen. Betreffend die weitere Begründung wird auf die in der Finanzgerichtsakte vorhandene Prüfungsverfügung Bezug genommen.

Der Einspruch der Klägerin vom 2. November 2016 blieb angesichts der Einspruchsentscheidung vom 12. September 2017 (xxx) ohne Erfolg, die der Beklagte wie folgt begründete:

Die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns gelte auch gegenüber Arbeitnehmern, die ausschließlich mobile Tätigkeiten ausübten, solange sie die Arbeitsleistung auch nur kurzzeitig auf deutschem Staatsgebiet erbrächten. Ob die Klägerin bezüglich der in Deutschland durchgeführten Fahrten und hierfür eingesetzten Arbeitnehmer als Arbeitgeber mindestlohnpflichtig gewesen sei und ob sie diese Pflicht erfüllt habe, könne nur durch die Überprüfung der angeforderten Unterlagen festgestellt werden. Ermächtigungsgrundlage seien die §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 3, 4, 5 Abs. 1 SchwarzArbG i.V.m. §§ 15 S. 1 Nr. 1, 17 Abs. 2 MiLoG und § 2 des Gesetzes über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz). Die Vorschriften seien auch in Ansehung unionsrechtlicher Maßgaben anwendbar, was weiter ausgeführt wird. Auf die Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat am 10. Oktober 2017 Klage erhoben, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Anwendung eines Mindestlohns und der Dokumentations- und Meldepflichten des Mindestlohngesetzes sei europarechtswidrig, soweit sie sich auch auf kurzfristig in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer aus dem Ausland beziehe. Die Europäische Kommission habe im Mai 2015 gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren mit der Begründung eingeleitet, die Anwendung des Mindestlohns auf bestimmte grenzüberschreitende Tätigkeiten mit geringem Bezug zum Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates sei europarechtswidrig. Zudem habe die Kommission am 31. Mai 2017 eine Initiative zur Anpassung der Entsende-Verwaltungsrichtlinie 2014/67, Nummer COM (2017) 278 ergriffen, die wohl einen Schwellenwert von mindestens dreitägiger Aufenthaltsdauer enthalte. Der Beklagte müsse deshalb zurückhaltend prüfen.

Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Nichtannahmebeschluss vom 25. Juni 2015 (1 BvR 555/15) Zweifel an der Erforderlichkeit der Geltung eines Mindestlohns bei kurzzeitigen Einsätzen geäußert.

Die Anwendung des deutschen Mindestlohns und der entsprechenden Dokumentationspflichten auf kurzfristige Tätigkeiten in Deutschland stelle einen ungerechtfertigten Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit der...

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