Entscheidungsstichwort (Thema)
Überschreiten des Grenzbetrages gem. § 32 Abs. 4 Satz 2
Leitsatz (amtlich)
- Bei laufenden Zahlungen des Kindergeldes von volljährigen Kindern, die Einkünfte und Bezüge erzielen, erfolgt eine Einkommensberechnung für das betreffende laufende Kalenderjahr zunächst im Rahmen einer Prognoseberechnung. Eine Prüfung dieser Prognoseentscheidung erfolgt in der Regel zum Jahresende. Stellt sich heraus, dass sich Änderungen im Laufe des Kalenderjahres gegenüber der ursprünglichen Prognoseberechnung ergeben haben, ist die Festsetzung des Kindergeldes nach § 70 Abs. 4 EStG zu korrigieren.
- Ob die Einkünfte und Bezüge eines Kindes hingegen den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschreiten, kann sich im Laufe eines Kalenderjahres unterschiedlich darstellen und kann regelmäßig abschließend erst nach Ablauf des Jahres geprüft werden. Gleichwohl ist die Behörde gehalten, das Kindergeld monatlich auszuzahlen. Diese gesetzliche Konzeption macht es erforderlich, Kindergeldfestsetzungen, die vor Beginn oder während eines Kalenderjahres erlassen worden sind, wieder aufheben zu können, wenn abzusehen ist oder bekannt wird, dass die Höhe der Einkünfte oder Bezüge des Kindes dazu führen wird, dass das Kind für das Kalenderjahr nicht berücksichtigungsfähig ist.
- Verwirkung setzt voraus, dass sich der zur Rückerstattung gemäß § 37 Abs. 2 AO Verpflichtete nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf verlassen durfte und verlassen hat, dass dieser das Recht in Zukunft nicht geltend machen werde. Der Zeitablauf allein (das sog. Zeitmoment) reicht für die Annahme der Verwirkung eines Rückforderungsanspruchs jedoch grundsätzlich nicht aus. Hinzu kommen muss ein Verhalten des Berechtigten, aus dem der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung den Schluss ziehen darf, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werden solle (Umstandsmoment oder Vertrauenstatbestand). Schließlich muss der Verpflichtete auch tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich entsprechend eingerichtet haben.
Normenkette
EStG §§ 2, 32 Abs. 4 S. 2, § 63 Abs. 1, § 70 Abs. 4; AO § 37 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Es geht in diesem Verfahren darum, ob die Beklagte zu Recht von der Klägerin das Kindergeld für 2007 zurückgefordert hat, weil die Einkünfte des Sohnes der Klägerin den Grenzbetrag gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten haben.
Der 1984 geborene Sohn der Klägerin absolvierte in der Zeit vom 01.08.2004 bis zum 31.01.2008 eine Ausbildung. Auf der am 22.12.2006 unterzeichneten Ausbildungsbescheinigung machte der Arbeitgeber des Sohnes insbesondere Angaben über die gezahlten Vergütungen für die Jahre 2004 bis 2008. Auf Blatt 137 der Kindergeldakte wird in diesem Zusammenhang verwiesen.
Durch das Schreiben vom 28.02.2007 forderte die Beklagte die Klägerin unter Fristsetzung auf, eine Erklärung für 2007 über die Werbungskosten des Sohnes einzureichen und teilte mit, dass bei Nichteinreichen der Erklärung die Kindergeldfestsetzung aufgehoben werden würde. Im Zeitraum Januar bis März 2007 erfolgten zunächst keine Kindergeldzahlungen. Am 11.04.2007 ging auf dem Konto der Klägerin die Zahlung des Kindergeldes für den Zeitraum Januar bis April 2007 ein.
Durch die am 18.03.2007 unterzeichnete Erklärung zu den Werbungskosten erklärte der Sohn der Klägerin insbesondere Werbungskosten für Fahrten zu seiner Arbeitsstätte insgesamt in Höhe von 1.163,20 km, die er mit seinem Motorrad gefahren sei, Aufwendungen für Reinigung der Berufskleidung und Fachzeitschriften in Höhe von 6,27 € monatlich. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Erklärung und die in diesem Zusammenhang eingereichten Anlagen verwiesen.
Durch die am 10.01.2008 unterzeichnete Erklärung zu den Werbungskosten für das Kalenderjahr 2007 reichte die Klägerin auf Nachfrage eine weitere Erklärung ihres Sohnes ein, durch die der Sohn insgesamt 880,96 km gefahrene Km erklärte. Außerdem machte er Aufwendungen in Höhe von 208 € für HVV, Fahrtkosten zur Schule in Höhe von 147,51 €, Aufwendungen für Fachliteratur in Höhe von 6,27 € und monatliche Reinigungskosten in Höhe von 75,24 € geltend.
Durch eine im Februar 2008 vorgenommene Überprüfung der Einkünfte des Sohnes stellte die Beklagte fest, dass der Sohn der Klägerin sowohl in 2006 als auch in 2007 die Einkommensgrenze von 7.680 € überschritten hatte und bat deshalb die Klägerin noch einmal um Überarbeitung der Erklärung zu den Werbungskosten für 2006. Dieser Bitte kam die Klägerin durch die Erklärung vom 07.03.2008 nach. In diesem Zusammenhang machte der Sohn auch noch detaillierte Angaben über die Werbungskosten in 2007, insbesondere über die angefallenen Fahrtkosten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die entsprechende Erklärung Bezug genommen.
Durch die daraufhin, unter Einbeziehung der neuen Erklärungen über die Werbungskosten, durchgeführte Berechnung der Werbungskosten, kam die Beklagte für d...