rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Kindergeld: Schweizer Kinderrente steht der Festsetzung von deutschem Kindergeld nicht entgegen
Leitsatz (amtlich)
1. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird durch Gemeinschaftsrecht verdrängt, wenn Deutschland der für die Gewährung von Familienbeihilfen für unterhaltsberechtigte Kinder von Rentnern nach Art. 77 VO (EWG) Nr. 1408/71 zuständige Mitgliedstaat ist. Die Schweizer Kinderrente ist einer Familienbeihilfe nicht gleichartig, so dass das deutsche Kindergeld ohne deren Berücksichtigung zu zahlen ist. Antikumulierungsvorschriften der VO (EWG) Nr. 1408/71 bzw. der DVO (EWG) Nr. 574/72 sind in einem solchen Fall nicht einschlägig.
2. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird durch Gemeinschaftsrecht verdrängt, wenn neben deutschem Kindergeld für einen in Deutschland wohnhaften Empfänger einer deutschen Erwerbsminderungsrente und einer Schweizer Invalidenrente eine Schweizer Kinderrente für ein in Deutschland wohnendes Kind zu zahlen ist. Art. 68 VO (EG) Nr. 883/2004 ist nicht einschlägig, weil die Schweizer Kinderrente nicht den Regelungen für Familienleistungen unterfällt. Selbst wenn Art. 68 VO (EG) Nr. 883/2004 anzuwenden wäre, wäre im Streitfall Deutschland vorrangig zuständig.
Normenkette
EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EWGV 1408/71 Art. 79 Abs. 3 S. 1; EWGV 574/72 Art. 10 Abs. 1 Buchst. a; EGV 883/2004 Art. 68 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii, Art. 69 Abs. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Bezug einer Schweizer Kinderrente dazu führt, die Festsetzung von deutschem Kindergeld im Streitzeitraum Oktober 2011 bis einschließlich Mai 2012 abzulehnen.
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Vater des am ... 1992 geborenen A.
Im Streitzeitraum bezog der in B wohnende und nicht erwerbstätige Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung-1. Einen Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielt der Kläger nicht. Daneben bezog er eine Invalidenrente von der Schweizerischen Ausgleichskasse und gemäß Art. 35 Abs. 1 des schweizerischen Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (Bundesgesetz [BG] vom 19.06.1959 über die Invalidenversicherung [IVG], Fassung gemäß Ziff. II des BG vom 30.06.1972, Amtliche Sammlung [AS] 1972, 2483; Bundesblatt [BBl] 1971 II 1057) eine Kinderrente für seinen Sohn A. Die Kinderrente betrug von Oktober 2011 bis Dezember 2011 monatlich 252 CHF und ab Januar 2012 monatlich 257 CHF.
A lebte im Streitzeitraum weder im Haushalt des Klägers noch im Haushalt der Kindesmutter, sondern in einem eigenen Haushalt in B. Nach dem Erwerb seines Abiturs im Sommer 2011 war A ab Oktober 2011 als Vollzeitstudent an der Fernuniversität in C eingeschrieben. A hatte keine eigenen Einkünfte und Bezüge im Jahr 2011. Der Kläger leistete monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe von 100 EUR, die Kindesmutter leistete keine Unterhaltszahlungen.
Der Kläger beantragte am 18.08.2011 bei der Beklagten die Festsetzung von Kindergeld für seinen Sohn A. Die Beklagte lehnte die Festsetzung des Kindergeldes ab Oktober 2011 mit Bescheid vom 25.10.2011 ab. Hiergegen legte der Kläger am 08.11.2011 Einspruch ein, den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 03.05.2012 zurückwies.
Am 04.06.2012 erhob der Kläger Klage. Er ist der Auffassung, die Zahlung der Schweizer Kinderrente stehe der Festsetzung von deutschem Kindergeld nicht entgegen.
Der Kläger beantragt, den Bescheid über die Ablehnung der Festsetzung des Kindergeldes vom 25.10.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.05.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für den Sohn A für den Zeitraum Oktober 2011 bis einschließlich Mai 2012 festzusetzen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Ablehnung der Festsetzung sei zu Recht erfolgt. Die Schweizer Kinderrente führe zu einem Ausschluss des Anspruchs auf deutsches Kindergeld.
Die Beteiligten verzichteten am 12.09.2012 auf eine mündliche Verhandlung.
Dem Gericht hat die Kindergeldakte der Familienkasse B der Bundesagentur für Arbeit, Kindergeld-Nr. ..., vorgelegen.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 12.09.2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Gericht entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
II.
Gegenstand der Klage ist die Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld für den Sohn A für den Zeitraum Oktober 2011 bis einschließlich Mai 2012. Dies ergibt sich aus dem Regelungsgehalt des Ablehnungsbescheides vom 25.10.2011, der die Festsetzung des Kindergeldes ausdrücklich ab Oktober 2011 ablehnt. Da die Beklagte infolge des Einspruchs des Klägers - entsprechend seinem Verpflichtungsbegehren - prüft, ob der Anspruch auf Kindergeld besteht, betrifft die Entscheidung auch die Monate nach der Ablehnungsentscheidung bis zu dem Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, hier bis einschli...