Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederholte Einspruchseinlegung und Klageerhebung - Heilung einer fehlenden Vollmacht bei der Einspruchseinlegung im gerichtlichen Verfahren - Existenz der im Klagerubrum angegebenen Wohnsitzangabe - Wiederkehrender Bezüge von im EU-Ausland ansässigem Geber
Leitsatz (amtlich)
Bei wiederholter Einspruchseinlegung gegen dieselben Bescheide handelt es sich inhaltlich um einen Einspruch; wenn nur die erste Einspruchseinlegung in der Einspruchsentscheidung als unzulässig verworfen wird, ist das Vorverfahren gleichwohl abgeschlossen.
Bei der anschließenden Klageerhebung als Anfechtungsklage und bei der als Untätigkeitsklage betreffend dieselben Bescheide wiederholten Klageerhebung handelt es sich inhaltlich um eine Klage, sind die Aktenvorgänge zu verbinden und kommt es bei Zulässigkeit als Anfechtungsklage auf die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen der Untätigkeitsklage nicht mehr an.
Das Fehlen der Vollmacht bei der Einspruchseinlegung kann durch deren Nachreichung im Rechtsbehelfs- oder im gerichtlichen Verfahren geheilt werden, solange weder eine Ausschlussfrist versäumt noch die Klage deswegen abgewiesen worden ist.
Eine per Fax erteilte Vollmacht reicht im Verwaltungsverfahren aus.
Für die Existenz der im Klagerubrum angegebenen (hier ausländischen) Klägeradresse spricht die Begleichung der dorthin gesandten Gerichtskostenrechnung.
Freiwillig von einem im EU-Ausland ansässigen Geber privat gewährte wiederkehrende Bezüge sind beim inländischen Empfänger nicht mittels Umkehrschluss-Auslegung von § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG steuerbar; die Umkehrschluss-Auslegung verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV.
Normenkette
AO § 80; BGB §§ 177, 180, 184; EGV Art. 12 (ex Art. 6), Art. 17 (ex Art. 8), Art. 18 (ex Art. 8a); EStG § 22 Nr. 1 Sätze 1-2, 3 Buchst. b; FGO §§ 40, 44, 46, 62, 65, 73; ZPO § 89
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich bei Zahlungen, die die Klägerin in den Streitjahren 1997 bis 1999 von dem in den Niederlanden und in Belgien geschäfts- und wohnansässigen A. erhalten hat, um steuerbare Einkünfte handelt.
I.
Die Klägerin ist 1954 in U. geboren und österreichische Staatsangehörige.
Sie hielt sich mindestens seit 1988 in Deutschland auf. Am 27. November 1990 heiratete sie den 1953 geborenen bolivianischen Staatsangehörigen B., der angeblich bolivianischer Kinderarzt (Dr. med.) war oder ist.
Das Ehepaar lebte zunächst in L. (Niedersachsen). Das Ehepaar oder die Klägerin zog oder meldete sich im Oktober 1995 um nach Hamburg in den X-Weg und von dort ab Juni 1996 nach M. (Niedersachsen), X-Straße (Strafakte Hamburg XXXXX --Str-A HH-- Bl. 727; Steuerstrafakte Hamburg XXXXX --StStr-A-- Bl. 22 ff, Beih. I).
Zumindest seit 1997 lebt die Klägerin nach ihren Angaben dauernd getrennt von ihrem Ehemann, der nach Südamerika (Bolivien, Kolumbien oder Peru) zurückgekehrt sein soll und in M. (Niedersachsen) per 1. Januar 1998 abgemeldet wurde; inzwischen sollen die Eheleute geschieden sein (StStr-A Bl. 31, 82 Beih. I Bl. 43; Einkommensteuerakte --ESt-A-- Bl. 46 unten). Die Klägerin meldete sich am 16. März 1998 um nach Hamburg, Y-Staße bei K. (StStr-A Bl. 82, 102 f, 133, vgl. ESt-A Bl. 1 ff).
Die Klägerin war mindestens bis einschließlich 1999 als kaufmännische Angestellte bei der Firma C. GmbH & Co. in Hamburg tätig. Sie verrichtete Büroarbeiten und Übersetzungen; insbesondere sortierte sie Belege in Heimarbeit und half sie bei Veranstaltungen (ESt-A Bl. 4, StStr-A Beih. VI; Str-A HH Bl. 155; Finanzgerichts-Akte --FG-A-- Bd. I Bl. 150).
Sie meldete am 10. April 1992 als Gewerbe "selbstständige Dienstleistungen und Beratertätigkeit für ..." an und meldete dieses Gewerbe am 30. September 1992 wieder ab (StStr-A Beih. I Bl. 1-4). Aus Kontakten ab 1998 wegen persönlicher Beratungen oder Horoskopdeutungen wurden keine Einkünfte bekannt (StStrA Bl. 129 f, 133 f, 194, 230 ff).
Eine Zulassung des damaligen Ehemannes als Arzt in Deutschland ist nicht ersichtlich. Nach Angaben der Klägerin vor dem Amtsgericht N. (Schleswig-Holstein) in 1995 soll er durch verschiedene Länder gereist sein und Vorträge gehalten haben (FG-A Bd. I Bl. 149). Durch ihre Steuerberaterin ließ die Klägerin im September 1996 vortragen, dass er keine Arbeit gefunden habe. Von ihm erzielte Einkünfte wurden nicht bekannt (StStr-A Beih. I Bl. 37, 43).
In 1993 erhielt die Klägerin von Dr. D. einen Betrag von insgesamt DM 47.696,35 (FG-A Bd. I Bl. 70, 76), der in fünf Raten unterschiedlicher Höhe gezahlt wurde. Grundlage dafür war eine nach einem Zivilprozess und einem notariellen Vertrag zwischen der Klägerin und Dr. D. am 30. April 1993 getroffene Vereinbarung. Danach sollte die Klägerin dafür, dass sie aus dem von ihr bis mindestens 1989 gemieteten Haus von Dr. D. in O., freiwillig ausgezogen ist, einen Betrag von 82 TDM erhalten. Ob über die fünf o. g. Raten weitere Raten gezahlt worden sind, ist nicht bekannt. Diese Zahlungen sind nicht Gegenstand der Klage.
Seit 1993 war oder ist die Klägerin mit A. befre...