Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 157/22)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Energiesteuer: Besteuerung von Schiffsdiesel bei nicht ausschließlich gewerblicher oder forschender Tätigkeit, Echte Kassation wegen fehlerhaftem AuswahlermessenErneutes Auswahlermessen nach Festsetzungsverjährung
Leitsatz (amtlich)
1. Infolge eines echten Kassationsurteils führt § 171 Abs. 3a AO dazu, dass die Festsetzungsfrist gegenüber einem der beiden Gesamtschuldner, gegen den festgesetzt wurde, nicht vor Eintritt der Rechtskraft des kassierenden Urteils ablaufen kann.
2. Es steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde, von der Abgabenerhebung gegen diesen Schuldner abzusehen, weil es versäumt wurde, den anderen Gesamtschuldner vor Ablauf der Festsetzungsfrist in Anspruch zu nehmen.
3. Ob es unbillig ist, den letzten verbliebenen vormals mehrerer Gesamtschuldner auf Zahlung in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme aller anderen Gesamtschuldner wegen Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr in Betracht kommt, ist eine Frage des Erlasses/der Erstattung (vgl. BFH, Beschluss vom 9. September 2009, VII B 11/09, BFH/NV 2010, 263, juris Leitsätze).
Normenkette
EnergieStG § 27; EnergieStV § 60; AO §§ 5, 171 Abs. 3a
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Energiesteuerbescheid für das Streitjahr 2015.
Die Klägerin handelt mit Schiffsbetriebsstoffen. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2006 erteilte das Hauptzollamt (HZA) A der Klägerin gemäß § 24 Abs. 2 EnergieStG die Erlaubnis, Gasöl (gefärbt) der Unterpositionen 2710 1941 bis 2710 1949 KN unversteuert zu beziehen und an andere im Rahmen der steuerfreien Verwendung als Schiffsbetriebsstoffe nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG abzugeben (zu verteilen). Über eine Erlaubnis als Steuerlagerinhaber nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG verfügte die Klägerin nicht.
Am 3. Juni 2015 informierte die Klägerin das HZA A, dass ihr für drei in A zur Reparatur liegende Seeschiffe Anfragen für die Belieferung mit gefärbtem Dieselkraftstoff vorlägen. Eignerin sei die B Ltd mit Sitz in C. Die Motoryachten "XXX-1" und "XXX-2" seien "Research/Survey Vessels" und als Forschungsschiffe durch§ 27 EnergieStG energiesteuerbefreit. Sie bat um Erteilung einer Genehmigung, das dritte Schiff, die "XXX-3", ebenfalls mit steuerbefreitem Kraftstoff beliefern zu dürfen.
Das HZA A antwortete am 4. Juni 2015, dass eine steuerfreie Belieferung im Rahmen einer allgemeinen Erlaubnis nicht möglich sei, sondern nur im Wege der förmlichen Einzelerlaubnis nach § 27 Abs. 1 EnergieStG unter Vorlage der in Feld 12 des Vordrucks 1165 genannten Unterlagen zum Nachweis der Gewerbsmäßigkeit und zum Nachweis der Nutzungsberechtigung. Weitere Unterlagen könne das HZA nachfordern. Zur steuerfreien Verwendung sei nur derjenige berechtigt, der die Energieerzeugnisse selbst zu den begünstigten Zwecken einsetze; die Eigentumsverhältnisse seien unbeachtlich. Gegebenenfalls könne eine Steuerentlastung nach § 52 EnergieStG auf dem Vordruck 1101 unter Vorlage der bereits genannten Unterlagen beantragt werden. Entlastungsberechtigt sei der Verwender der Energieerzeugnisse.
Am 22. Juli 2015 führte das HZA A bei der Klägerin eine Steueraufsichtsmaßnahme durch. Mit seinem Kontrollvermerk vom 27. August 2015 beanstandete das HZA 22 Bebunkerungen der Motoryachten "XXX-1" und "XXX-2" mit ... l gekennzeichnetem Schiffsdieselkraftstoff im Zeitraum vom 12. bis 19. Juni 2015. Die dem Kontrollvermerk zugrunde gelegten in den E ausgestellten Seebriefe wiesen als Eigentümerin der "XXX-2" die D (D mit Sitz in den E und als Eigentümer der "XXX-1" Herrn F, mit Anschrift in den E, aus. Die Kundenkartei der Klägerin wies als Kunden die G (...) aus, eine gemeinnützige, in den E registrierte Stiftung. Die Lieferscheine und sog. Bunker Requests wiesen als Bezieher der Schiffsbetriebsstoffe die G aus.
Mit Energiesteuerbescheid vom ... Oktober 2015 setzte das HZA A gegenüber der Klägerin Energiesteuer für ... l gekennzeichnetem Dieselkraftstoff zu einem Steuersatz von ... € auf 1.000 l, mithin über den Gesamtbetrag i.H.v. ... €, fest. Diese habe als Inhaberin einer Erlaubnis zur Verteilung von Energieerzeugnissen zu steuerfreien Zwecken nach § 24 Abs. 2 und § 44 Abs. 1 EnergieStG entgegen der Erlaubnis die beiden streitbefangenen Schiffe, die keine Forschungsschiffe im Sinne des Energiesteuergesetzes seien, mit unversteuertem Dieselkraftstoff beliefert. Da beide Schiffe nicht in der aktuellen Sammlung des deutschen Ozeanografischen Datenzentrums des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (Forschungsschiffregister) als Forschungsschiffe gelistet seien, sei keine allgemeine Erlaubnis zur Belieferung mit steuerfreiem Dieselkraftstoff nach § 55 Energiesteuer-Durchführungsverordnung (EnergieStV) i.V.m. Anl. 1 zur EnergieStV und der Verwaltungsvorschrift "Verwendung von Energieerzeugnissen für die Schifffahrt" (V 8230-1; VwV Energieerzeugnisse für die Schifffahrt) gegeben. Für beide Schiffe liege keine förmliche Einzelerlaubnis nach § 27 Energiesteuergesetz vor.
Die K...