Revision eingelegt (BFH III R 20/21)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zentralisierung der Zuständigkeiten für Billigkeitsentscheidungen im Kindergeldverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Zentralisierung der Zuständigkeiten für Entscheidungen im kindergeldrechtlichen Erhebungsverfahren bei der Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse, und der Agentur für Arbeit Nordrhein-Westfalen Nord ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
AO §§ 16, 121, 227, 240; EStG § 68 Abs. 1 S. 1; FVG § 5 Abs. 1 Nr. 11; FGO § 63 Abs. 2 Nr. 1, § 101
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Erlass einer Kindergeldrückforderung sowie von Säumniszuschlägen.
Der Kläger ist der Vater des am … 1998 geborenen A. Der Sohn befand sich ab dem 2. November 2015 in einer Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel, die bis Juni 2018 dauern sollte. Dem Kläger wurde auf dieser Grundlage mit Bescheid vom 16. März 2016 Kindergeld für A bewilligt, welches er nach Aufhebung der Kindergeldbewilligung mit Bescheid vom 18. Juni 2018 bis einschließlich Juni 2018 bezog.
Bis Juni 2018 bestand eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) zwischen dem Kläger und seinem Sohn. Der Kläger bezog im Streitzeitraum Leistungen nach dem SGB II für die Bedarfsgemeinschaft. Bei der Berechnung des zu berücksichtigenden monatlichen Einkommens wurden das Kindergeld und die Ausbildungsvergütung des Sohnes als Einkommen berücksichtigt.
Der Kläger teilte der Familienkasse … mit Schreiben vom 19. Juli 2018 mit, dass sein Sohn die Berufsausbildung im Juni 2016 beendet habe. Am 30. Juni 2016 sei ein Auflösungsvertrag geschlossen worden.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2018 hob die Familienkasse … die Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Monate Juli 2016 bis einschließlich Juni 2018 auf und forderte überzahltes Kindergeld in Höhe von … € zurück, weil der Sohn die Berufsausbildung bereits im Juni 2016 abgebrochen und sich somit nicht mehr in Ausbildung befunden habe.
Dagegen legte der Kläger am 19. November 2018 Einspruch ein und beantragte zugleich den Rückforderungsbetrag aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Er, der Kläger, habe die geänderten Umstände auch dem Jobcenter erst im Juni 2018 mitteilen können, weil er bis dahin davon ausgegangen sei, dass sein Sohn die Ausbildung fortsetze und die Ausbildungsvergütung erhalte.
Der Kläger nahm den Einspruch gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2018 am 30. Januar 2019 zurück.
Mit Bescheid vom 3. April 2019 erließ die Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse einen Teilbetrag von … € (Rückforderung für den Monat Juli 2016) und lehnte den Antrag in Höhe von … € (… € Kindergeldforderung und … € Säumniszuschläge bis zum 30. Januar 2019) ab.
Dagegen legte der Kläger am 6. Mai 2019 Einspruch ein, der mit Entscheidung der Beklagten vom 26. Juni 2019 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Nach § 227 der Abgabenordnung (AO) dürfe die Familienkasse nur Forderungen erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des Einzelfalles unbillig wäre. Lediglich für den ersten Monat der Überzahlung (Juli 2016) sei die Rückforderung auch bei rechtzeitiger Mitteilung nicht vermeidbar gewesen, so dass nur insoweit ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen erfolge. Im Übrigen komme zwar bei Anrechnung des Kindergeldes beim Arbeitslosengeld II als Einkommen ein Erlass in Betracht, jedoch beruhe die Überzahlung hier allein auf einer Verletzung der Mitteilungspflichten nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG durch den Kläger. Eine sachliche Unbilligkeit liege daher nicht vor. Auch fehle es an einer persönlichen Unbilligkeit. Der Kläger werde durch die Pfändungsfreigrenzen des § 850 c der Zivilprozessordnung (ZPO) ausreichend geschützt. Zudem liege keine Erlasswürdigkeit vor. Der Kläger habe die Rückforderung durch seine Mitwirkungspflichtverletzung selbst herbeigeführt.
Der Kläger hat am 29. Juli 2019 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, sein Sohn habe ihn, den Kläger, erst im Juni 2018 über den Abbruch der Ausbildung informiert. Die verspätete Mitteilung sei daher unverschuldet. Der Ablehnungsbescheid sei ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte darauf nicht eingehe. Die Verneinung einer Unbilligkeit setze voraus, dass der Kindergeldberechtigte die von ihm durch das Unterlassen verursachte Situation schuldhaft herbeigeführt habe. Ihm, dem Kläger, seien die Umstände nicht bekannt und auch nicht aus Fahrlässigkeit unbekannt gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 3. April 2019 und die Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2019 insoweit aufzuheben, als dort der Erlass der Forderung auf Rückzahlung von Kindergeld in Höhe von … € nebst Säumniszuschlägen abgelehnt wird, und die Beklagte zu verpflichten, den Rückforderungsanspruch nebst den diesbezüglichen Säumniszuschlägen in Höhe von weiteren … € zu erlassen,
hilfsweise,
den Bescheid vom 3. April 2019 und die Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2019 insoweit aufzuheben, als dort der Erl...