Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuerrecht: Erlass bzw. niedrigere Festsetzung von Erbschaftsteuer im Billigkeitswege
Leitsatz (amtlich)
Die Regelung des § 14 ErbStG, wonach mehrere innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall erhaltene Schenkungen zusammengerechnet und mit ihrem früheren Wert dem ererbten Vermögenswert hinzugerechnet werden, führt auch dann zu keiner unbilligen sachlichen Härte, wenn der Erbfall durch Ermordung der Erblasserin durch einen Dritten eingetreten ist.
Normenkette
GG Art. 3, 6; AO §§ 163, 227; ErbStG §§ 1, 9, 14
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die gegen die Klägerin festgesetzte Erbschaftsteuer wegen der Ermordung ihrer Mutter im Billigkeitswege niedriger festgesetzt bzw. ihr teilweise erlassen werden muss.
I.
Die Klägerin ist die Tochter der am ... 2004 ermordeten Erblasserin.
Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann, der Vater der Klägerin, hatten am ...1982 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzten (§ 1 des Testaments ErbSt-A Blatt 5 ff.). In § 2 wurde verfügt, dass für den Fall, dass der länger Lebende keine anderweitige Verfügung treffen sollte, die gemeinsame Tochter, die Klägerin, Schlusserbin sein sollte.
Für den Fall des Eintritts des Schlusserbenfalls vor dem 30. Geburtstag der am ... geborenen Tochter war Testamentsvollstreckung angeordnet worden. Sollte die Schlusserbin nach dem Tode des Erstversterbenden ihren Pflichtteil verlangen, so sollte sie nach dem Tode des länger Lebenden nur den Pflichtteil erhalten. Das Gesamtvermögen sollte dann einer Stiftung zugeführt werden, die vom Testamentsvollstrecker zu errichten wäre (§ 3).
Am ... 1986 änderten die Eltern der Klägerin ihr früheres Testament dahingehend, dass, wenn der länger Lebende keine andere Verfügung treffen sollte, Schlusserbin nunmehr die Stiftung A sein sollte und die Klägerin nach beiden Eltern nur den Pflichtteil erhalten sollte (§ 2 und § 3 des notariellen Testaments ErbSt-A Blatt 8 ff.).
Am ... 1988 wurden die beiden Testamente nach dem Ableben des Vaters der Klägerin vor dem Amtsgericht Hamburg-1 eröffnet (ErbSt-A Blatt 4).
Am ... 1988 errichtete die Mutter der Klägerin ein weiteres handschriftliches Testament, in dem sie die Klägerin zur Alleinerbin einsetzte und die beiden vorherigen Testamente für ungültig erklärte (ErbSt-A Blatt 11). Der am ... in B geborene Täter war im Jahre 1991 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke der Arbeitsaufnahme eingereist. Nachdem das Arbeitsverhältnis und das daran geknüpfte Aufenthaltsrecht ausgelaufen waren, blieb er dennoch in Deutschland und verrichtete gelegentlich Gärtnerarbeiten. Nach einem Heimaturlaub wurde der Täter am 06.04.1995 bei dem Versuch, ohne die erforderlichen Papiere wieder einzureisen festgenommen und am 10.07.1996 in sein Heimatland abgeschoben. Nach seiner erneuten Einreise im Sommer 1996 - wieder ohne die erforderlichen Papiere - verdiente er sich seinen Lebensunterhalt durch Hilfstätigkeiten, vornehmlich Gartenarbeiten, in Privathaushalten. Durch die Vermittlung einer Freundin verrichtete er auch Gartenarbeiten bei der Mutter der Klägerin. Am Tattag überfiel er die Mutter der Klägerin und erdrosselte sie (vgl. Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13.04.2005 Az. 621 Ks 2/05 Gerichtsakte - GA - Bl. 49 ff.).
Die Testamentseröffnung nach dem gewaltsamen Tod der Erblasserin fand am 28.12.2004 am Amtsgericht Hamburg-1 statt (ErbSt-A Blatt 4).
II.
Die Erblasserin hatte mit notariell beurkundetem Vertrag vom ... 1995 der Klägerin das Grundstück X-Straße in Hamburg unentgeltlich unter dem Vorbehalt des lebenslangen Nießbrauchs übertragen. Für diese Zuwendung hat der Beklagte mit Bescheid vom 24.03.1997 nach den Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der vor 1996 geltenden Fassung unter Ansatz des steuerlichen Grundstückswertes von 205.520 DM eine Schenkungssteuer von 5.197 DM festgesetzt, die die Klägerin beglichen hat (ErbSt-A Bl. 117).
III.
Die Erbschaftsteuererklärung der Klägerin vom 13.04.2006, ging am 27.04.2006 beim Beklagten ein.
Das Vermögen der Erblasserin bestand im Wesentlichen aus zwei in Hamburg gelegenen Grundstücken (Y-Straße und Z-Straße) und aus Anteilen an Grundstücksgesellschaften, sowie Wertpapieren und Bankguthaben, und belief sich unter Berücksichtigung der Verbindlichkeiten und des Freibetrages gemäß § 16 ErbStG auf einen Wert von insgesamt ... Euro (ErbSt-A Blatt 41).
In ihrem, der Erbschaftsteuererklärung beigefügten Anschreiben (ErbSt-A Blatt 23) erklärte die Klägerin, dass die vorausgegangene Schenkung wegen der Ermordung ihrer Mutter bei der Erbschaftsteuer nicht berücksichtigt werden dürfe. Es sei völlig ausgeschlossen, dass sie - die Erblasserin -, wenn sich der gewaltsame Tod nicht ereignet hätte, ihr gesamtes Vermögen oder Teile davon vor Ablauf der 10-Jahres-Frist an die Klägerin verschenkt hätte. Von einem natürlichen Tod innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums könne ebenfalls nicht ausgegangen werden....