Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrauensschutz in die überholte Rechtsprechung trotz zwischenzeitlichem Änderungsbescheids; Begünstigung des § 34 EStG für Vorruhestandsgelder
Leitsatz (amtlich)
Geht ein Arbeitnehmer in den Vorruhestand und erhält er aufgrund von Vereinbarungen im Aufhebungsvertrag eine Einmalzahlung und aufgrund einer betrieblichen Versorgungszusage für den Fall des Vorruhestands in späteren Jahren bis zum Eintritt des Rentenalters von seinem Arbeitgeber Vorruhestandszahlungen, so handelt es sich insgesamt um eine einheitliche Entschädigung im Sinne des § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, für die mangels Zusammenballung kein Anspruch auf begünstigte Besteuerung besteht.
Der Vertrauensschutz des § 176 Abs. 1 Nr. 3 EStG schützt einen Steuerpflichtigen auch vor solchen Rechtsprechungsänderungen, die erst während des Rechtsmittelverfahrens eintreten, sofern der Einspruch gegen die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids geführt wird, der nach alter Rechtsprechung ergangen ist und die Gründe für die Änderung des Bescheids einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. Die Änderung der Begründung eines Änderungsbescheids ist damit im Hinblick auf den Vertrauenstatbestand des § 176 AO dem Erlass eines Änderungsbescheids gleichzustellen.
Normenkette
AO §§ 173, 176; EStG §§ 24, 34
Nachgehend
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine Abfindungszahlung, die der Kläger 1998 im Zusammenhang mit der Aufhebung seines Arbeitsvertrages erhielt, nach § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) ermäßigt zu besteuern ist.
I.
Der Kläger ist am ... geboren.
a) Im Jahr ... begann der Kläger seine Berufstätigkeit bei der Fa. C.
Fa. C war an der Werbeagentur "D" beteiligt. Als Fa. C ... ihre Beteiligung auf eine Mitgesellschafterin übertrug, wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers von der Fa. D GmbH (im Folgenden: Arbeitgeber) übernommen, die zu dem Konzern der Fa. B, Inc. gehört. Bei seinem Arbeitgeber war der Kläger zuletzt als Geschäftsführer tätig und zuständig für den Bereich Finanzen und Controlling.
b) In seinem Arbeitsvertrag vom ... (Bl. 6G der Gerichtsakte - GA -) ist unter Ziffer 2 vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen ist und beiderseits mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartal gekündigt werden kann und ohne dass es der Kündigung bedarf mit dem 65. Lebensjahr des Klägers ende. Diese Altersgrenze wurde von Arbeitgeberseite sp
c) Während seiner Beschäftigungszeit erhielt der Kläger eine so genannte SERA-Zusage (Senior Manager Early Retirement Arrangement), die ausweislich ihres Inhalts eine bis dahin schon bestehende Versorgungszusage ablöste bzw. verbesserte. In einem vom Kläger vorgelegten Formularschreiben aus dem Dezember 1992 (Bl. 6A GA) heißt es insoweit:
"Ergänzend hierzu" (zu der bestehenden betrieblichen Altersversorgung) "erteilen wir Ihnen mit sofortiger Wirkung eine SERA-Zusage, die Ihre betriebliche Versorgung verbessert und die Möglichkeit schafft, vorzeitig in Pension zu gehen. Im einzelnen gelten hierfür folgende Grundsätze:
1. Pensionsalter
SERA bietet Ihnen die Möglichkeit, auf eigenen Wunsch bereits ab Vollendung des 55. Lebensjahres in Pension zu gehen.
Die Beschäftigungsfirma hat die Möglichkeit, Sie ab Lebensalter 60 zu pensionieren.
Voraussetzung hierfür ist, dass der endgültige Termin der Pensionierung ein Jahr im voraus angekündigt und schriftlich bestätigt wird.
2. Höhe der Versorgung
Ausgangspunkt für die Berechnung der SERA-Versorgung sind die Versorgungsbezüge, die Sie bei einer Pensionierung mit Lebensalter 65 erhalten würden. Als Basis werden die oben genannten Versorgungszusagen und Ihr versorgungsfähiges Einkommen zum Stichtag des Ausscheidens herangezogen. Bei einer Berechnung des versorgungsfähigen Einkommens werden "Incentive Cash Awards" berücksichtigt.
3. ...
Aus diesen Versorgungsbezügen per Alter 65 leitet sich die Höhe Ihrer SERA-Versorgung entsprechend dem Pensionsalter wie folgt ab:
Pensionsalter |
SERA-Versorgung in % der Brutto-Versorgungsbezüge bei Pensionierung mit 65 Jahren |
65 |
100 |
64 |
100 |
63 |
100 |
62 |
99 |
61 |
97 |
60 |
95 |
59 |
83 |
58 |
75 |
57 |
67 |
56 |
59 |
55 |
50 |
...
4. Gesetzliche Rente
Die gesetzliche Rente ist Bestandteil dieser Zusage, d. h. die Rente wird in die Berechnung der firmenseitigen Versorgungsleistungen und in die Finanzierung dieser Zusage einbezogen ...
...
6. Anpassungen
Die betrieblichen Versorgungsleistungen dieser Zusage werden entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen überprüft und gegebenenfalls an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst.
Dies gilt auch für den Teil der betrieblichen Versorgungsbezüge, der die gesetzliche Rente bis zu deren Zahlungsbeginn ersetzt.
Abweichend von dem gesetzlich vorgeschriebenen Drei-Jahres-Rhythmus wird die Anpassungsprüfung jährlich durchgeführt.
...
11. Sonderzuwendung anlässlich Pensionierung
Die Firma wird Ihnen bei Ihrer Pensionierung...