Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung, falls sich im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens Musterverfahren erledigen
Leitsatz (amtlich)
Erledigen sich im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens im Einspruchsverfahren genannte Musterverfahren, besteht kein Anspruch auf isolierte Aufhebung von Einspruchsentscheidungen. In diesem Fall fehlt ein berechtigtes Interesse an der isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidungen, da die jeweiligen Rechtsfragen geklärt sind. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO dient der Verfahrensökonomie, nicht jedoch einem Interesse der Steuerpflichtigen, ihren Fall möglichst lange "offen" zu halten.
Ein Anspruch auf eine isolierte Aufhebung von Einspruchsentscheidungen, um in die verfahrensrechtliche Position eines Einspruchsverfahrens zu gelangen, besteht nicht. Dies gilt auch für die Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes.
Nach Erledigung von Musterverfahren kann der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt werden, um unnötige Kosten zu vermeiden.
Eine Verfassungsbeschwerde gegen entschiedene Musterverfahren, welche erst im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens anhängig wird, führt nicht zur Fortsetzung der gesetzlichen Zwangsruhe. Um eine gesetzliche Zwangsruhe begründen zu können, muss eine solche Verfassungsbeschwerde entscheidungserheblich sein.
Die Höhe des Grundfreibetrags im Jahr 2001 ist verfassungsgemäß. Eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die Vorlagebeschlüsse des Hessischen LSG vom 29. Oktober 2008 (L 6 AS 336/07, Az. BVerfG 1 BvL 1/09) und des BSG vom 27. Januar 2009 (B 14 AS 5/08 R, Az. BVerfG 1 BvL 3/09 und B 14/11b AS 9/07 R, Az. BVerfG 1 BvL 4/09) liegt nicht vor, denn diese Verfahren sind für den Streitfall nicht vorgreiflich i. S. § 74 FGO.
Eine Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge für Jahre vor 2010 ist im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) über die seinerzeit geltenden Regelungen nicht gegeben. Die Anordnung der Weitergeltung der gesetzlichen Regelungen hat Gesetzeskraft. Eine weitere verfassungsgerichtliche Prüfung dieser Vorschriften kommt nicht in Betracht.
Beiträge zur Arbeitslosenversicherung können nicht über den geltenden Sonderausgabenabzug hinaus berücksichtigt werden. Sie sind nicht einem negativen Progressionsvorbehalt zuzuordnen.
Normenkette
AO § 363 Abs. 2 S. 2; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a; BVerfGG § 79 Abs. 2, § 31 Abs. 2; FGO § 74; GG Art. 100 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die isolierte Aufhebung einer Einspruchsentscheidung und, hilfsweise, die Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2001.
Die Klägerin ist verheiratet und wurde im Streitjahr getrennt veranlagt. Sie hat mit ihren Ehemann einen gemeinsamen, am ... geborenen Sohn. Der Sohn der Klägerin beendete am ... 1996 seine Berufsausbildung (Fachhochschule).
Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit machte sie Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von insgesamt 1.238 DM (nach Fahrtkostenersatz) und Kontoführungsgebühren in Höhe von 30 DM geltend.
Die Klägerin leistete im Streitjahr Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 4.605,26 DM und zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung in Höhe von 2.217,35 DM. Insgesamt erklärte die Klägerin Versicherungsbeiträge in Höhe von 14.777 DM.
Der Beklagte erließ am 09.04.2003 einen Einkommensteuerbescheid für 2001. Der Bescheid erging vorläufig wegen der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 Einkommensteuergesetz - EStG -). Die Klägerin legte hiergegen am 17.04.2003 Einspruch ein.
Die Klägerin begründete ihren Einspruch im Wesentlichen damit, dass die angewendeten Steuergesetze nicht rechtmäßig seien. Beispielsweise wendete sich die Klägerin gegen die Struktur der Einkommensteuer und der damit verbundenen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen als auch der Steuerlast. Die Kürzung des so genannten Versicherungsvorwegbetrages sei verfassungswidrig, wobei auch im Rahmen der Überprüfung der Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten die Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) angegriffen werde. Die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung seien voll als Werbungskosten, zumindest jedoch in voller Höhe als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Aufwendungen, die den so genannten gemischten Aufwendungen zugeordnet würden, seien zu berücksichtigen. Die Klägerin nannte eine Vielzahl von Aktenzeichen gerichtlicher Verfahren, die mit den aufgeworfenen Rechtsfragen in Zusammenhang stünden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Klägerin im Einspruchsverfahren verwiesen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 07.08.2003 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Hiergegen erhob die Klägerin am 27.08.2003 Klage.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage im Wesentlich...