Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichen Wertpapierhandel
Leitsatz (redaktionell)
1) Der An- und Verkauf von Wertpapieren überschreitet nur in besonderen Fällen die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zur gewerblichen Tätigkeit, nämlich dann, wenn sich der Steuerpflichtige nach dem Gesamtbild der Verhältnisse "wie ein Händler" verhalten hat.
2) Verwaltet ein Steuerpflichtiger, der sich als Gymnasiallehrer autodidaktisch Kenntnisse im Bank- und Börsenwesen verschafft hat, überwiegend eigenes Vermögen, das er mit von seiner Mutter überlassenen Mitteln vermischt und auf unter eigenen Namen geführten Bankkonten und Depots verwahrt, ohne dass er über ein Mindestmaß an kaufmännischer Organisation verfügt, überschreitet er die Grenze zum gewerblichen Wertpapierhandel auch dann (noch) nicht, wenn er die alleinige Entscheidungskompetenz über die Anlage der ihm von seiner Mutter überlassenen Mittel verfügt.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 15
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die vom Kläger (Kl.) im Streitjahr getätigten An- und Verkäufe von Wertpapieren als private Vermögensverwaltung oder aber als Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind.
Der Kl. ist als Gymnasiallehrer mit den Fächern Mathematik und Musik nichtselbständig tätig. Seit Ende der 80iger Jahre verwaltet er außerdem aus einer Erbschaft stammende Gelder, die ihm von seiner Mutter R. zu diesem Zweck überlassen wurden. Der Kl. unterhielt hierfür ein Depot bei der Bank E., über das – auch aus eigenen Mitteln – Aktien und Optionsscheine an- und verkauft wurden. Für Rechnung der R. wurden dabei außerdem Mittel angelegt, die R. zuvor ihrer im Jahre 1986 geborenen Enkelin M. – der Tochter des Kl. – geschenkt hatte und für diese treuhänderisch verwaltete (vgl. hierzu Vereinbarung Bl. 119 der Akte). Eine Vergütung erhielt der Kl. hierfür zunächst nicht.
Am 17.6.1996 schloss der Kl. mit R. einen schriftlichen Vertrag, der nach Angaben des Kl. an die Stelle der zuvor getroffenen mündlichen Vereinbarungen trat. Danach beauftragte R. den Kl., Wertpapiergeschäfte unter seinem Namen für ihre Rechnung zu tätigen. Das auf den Namen des Kl. lautende Konto und das dazugehörige Depot sollten wie ein Fonds geführt werden, d.h. R. sollte an allen Geschäften mit dem Prozentsatz beteiligt sein, der ihrem Vermögensanteil am gesamten Fonds entsprach. Das Risiko sollte sich dabei bei jedem Einzelgeschäft auf den von R. erbrachten anteiligen Kapitaleinsatz beschränken. Zusätzlich übernahm der Kl. die Garantie, dass nicht ein Verlust eintrat, der 66 2/3 % ihres am 1.1. des jeweiligen Kalenderjahres vorhandenen Kapitaleinsatzes überschritt. Neben Transaktionsgebühren (0,15 % pro Geschäft) und Verwaltungsgebühren (0,5 % des zu Beginn und zum Ende des Jahres investierten Vermögens) stand dem Kl. eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 10 % der im Kalenderjahr aufgelaufenen Gewinne zu. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Vertragstext Bezug genommen (Bl. 117 ff.), der am 30.08.2000 durch einen neuen Vertrag ersetzt wurde (Bl. 116).
Von Dezember 1999 an tätigte der Kl. auch Wertpapiergeschäfte für insgesamt fünf familienfremde Anleger, die sich in ähnlicher Weise wie R. am Depot des Kl. beteiligten. Auf die hierzu getroffenen Vereinbarungen mit Herrn Dr. Q vom 14.12.1999 (Bl. 44 Bp.-Akte I), den Eheleuten G vom 17.1.2000 (Bl. 42 Bp.-Akte I), Herrn I vom 1.5.2000 (Bl. 43 Bp.-Akte I), Dr. T vom 8.4.2000 (Bl. 49 Bp.-Akte I), Frau U vom 15.6.2000 (Bl. 51 Bp.-Akte I), Eheleute X vom 20.10.2000 (Bl. 52 f Bp.-Akte I), Frau L vom 27.5.2003 (Bl. 120) wird Bezug genommen.
Bezüglich der Anzahl der vom Kl. in den Jahren 1996 bis 2003 vorgenommenen Transaktionen und der Höhe des im jeweiligen Kalenderjahr erzielten Umsatzes wird auf die Tabelle, Bl. 88, verwiesen.
Der seinerzeit steuerlich nicht beratene Kl. sah seine Tätigkeit zunächst als private Vermögensverwaltung an. In seiner am 24.2.1998 abgegebenen Einkommensteuererklärung 1996 gab er dementsprechend Einkünfte aus Spekulationsgeschäften in Höhe von 53.191,– DM an.
Der Beklagte (Bekl.) führte die Veranlagung nach Maßgabe der Erklärung durch und setzte mit unter den Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) gestelltem Bescheid vom 28.4.1998 Einkommensteuer in Höhe von 43.182,– DM gegen den Kl. fest. Nachdem der Kl. handschriftliche Aufzeichnungen über die Ermittlung der Einkünfte vorgelegt hatte, hob der Bekl. mit Bescheid vom 10.6.1998 den VdN auf.
Auch R. behandelte die auf sie entfallenden anteiligen Einkünfte als solche aus Spekulationsgeschäften, die sie – zuletzt für den Veranlagungszeitraum 1997 – beim für sie zuständigen Finanzamt P erklärte. Nachdem dieses Finanzamt die Auffassung vertreten hatte, dass eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte vorzunehmen sei, ließ sich der Kl. im Oktober oder November 1998 durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten ...