Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlungsverjährung bei aufgrund Urteil geänderter Steuerfestsetzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei geänderter Einkommensteuerfestsetzung ist auch die mit dem Änderungsbescheid verbundene Anrechnungsverfügung anzupassen, ohne dass bis dahin ggf. abgelaufene Zahlungsverjährungsfristen bzgl. früher entstandener Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entgegenstehen.
2. Eine geänderte Steuerfestsetzung löst stets in Höhe der durch sie ausgewiesenen Zahllast eine neue Zahlungsverjährungsfrist aus.
Normenkette
AO §§ 228-229, 230 Abs. 2; EStG § 36 Abs. 2 S. 2; AO § 218 Abs. 2
Nachgehend
BFH (Aktenzeichen X R 13/24) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Abrechnungsbescheids zur Einkommensteuer 2004 sowie einer (durch Urteil) geänderten Einkommensteuerfestsetzung 2004 im Wesentlichen über die Frage, ob Zahlungsverjährung eingetreten ist und/oder ob ein geänderter Einkommensteuerbescheid 2004 (noch) ergehen durfte.
Der einzeln zur Einkommensteuer veranlagte Kläger erzielte im Streitjahr gewerbliche Einkünfte. Er ist deutscher Staatsbürger und besitzt nach Aktenlage seit 2015 ferner die schweizerische (eidgenössische) Staatsangehörigkeit. Seit 2007 hat er seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz. Im November 2005 erging zum Streitjahr 2004 ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) stehender Erstbescheid. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erließ der Beklagte unter dem 3. August 2010 einen Änderungsbescheid (mit Aufrechterhaltung des VdN), welcher insbesondere erhöhte Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Besteuerung zugrunde legte. Der Bescheid wies eine festgesetzte Einkommensteuer von … € und nach Anrechnung von Lohnsteuer (… €) und bereits bei der Erstveranlagung gezahlter Einkommensteuer (… €) einen Zahlbetrag von … € (zzgl. Zinsen zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag – SolZ) aus.
Die weiteren Abläufe im Festsetzungsverfahren stellen sich wie folgt dar:
Nach einem fristgerecht gegen den Änderungsbescheid vom 3. August 2010 erhobenen Einspruch erließ der Beklagte unter dem 9. Februar 2011 eine Einspruchsentscheidung, in welcher der Einspruch zum Streitjahr und auch weitere Einsprüche (anderer Veranlagungszeiträume) als unbegründet zurückgewiesen wurden. Die Einspruchsentscheidung hob den VdN auf. Die Rechtsbehelfsakte des Beklagten enthält vor der Einspruchsentscheidung „Anlagen zur Einkommensteuer” mit den identischen Angaben gemäß Bescheid vom 3. August 2010 aufgrund einer lediglich intern (aus technischen Gründen) verfügten „VdN-Aufhebung” (Ausdruck mit Dateneingabe abgeheftet; die Anlagen sind jeweils durchgestrichen und mit dem Vermerk „nicht versandt” versehen).
In der Folgezeit führte der Kläger vor dem erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 15 K …/11 ein Klageverfahren u.a. zur hier streitgegenständlichen Einkommensteuer 2004. Die Akten des Verfahrens hat das Gericht beigezogen. Mit Urteil vom 29. November 2016, am Sitzungstag mit dem Tenor in öffentlicher Sitzung verkündet und vollständig abgefasst dem Beklagten am 2. Januar 2017 und der Klägerbevollmächtigten am 3. Januar 2017 zugestellt, gab der erkennende Senat der Klage teilweise statt.
Der Tenor lautete:
„Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 3. August 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2011 wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte aus § 15 EStG um … € vermindert werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit geändertem Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 77 % und der Beklagte zu 23 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers vorläufig vollstreckbar.”
Gegen das Urteil legte der Kläger am 31. Januar 2017 Nichtzulassungsbeschwerde ein (Az. Bundesfinanzhof – BFH – I B …/17), welche der BFH mit Beschluss vom 25. April 2018 als unbegründet zurückwies. Eine hiergegen vom Kläger erhobene Anhörungsrüge (Az. BFH I S …/18) wies der BFH mit Beschluss vom 27. November 2018 ebenfalls als unbegründet zurück. Eine später vom Kläger erhobene Verfassungsbeschwerde (Az. Bundesverfassungsgericht – BVerfG – 2 BvR …/19) nahm das BVerfG mit Beschluss vom 4. Dezember 2019 nicht zur Entscheidung an.
Unter dem 14. Februar 2020 (Blatt – Bl. – 14 ff. der elektronischen Gerichtsakte – eGA) erließ der Beklagte daraufhin den hier streitgegenständlichen Bescheid, den er auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 132 AO stützte und in den Erläuterungen anführte, dass dieser Bescheid auf Grundlage des Urteils des Finanzgerichts (FG) Köln vom 29. November 2016 (Az. 15 K …/11) ergehe. Die Festsetzung wurde von zuvor … € um … € auf nunmehr … € verringert, die angerechnete Lohnsteuer (… €) und die abgerechnete Einkommensteuerzahlung (… €) blieben gle...