Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Anschaffungskosten durch krisenbestimmtes Darlehen
Leitsatz (redaktionell)
Ein krisenbestimmtes Darlehen liegt auch dann vor, wenn der Gesellschafter zwar nicht von vorneherein erklärt hat, er werde von seinem außerordentlichen Kündigungsrecht nach §§ 609 Abs. 2, 610, 626, 554a BGB keinen Gebrauch machen, er diese Erklärung aber noch vor Eintritt der Krise bindend gegenüber der Gesellschaft oder deren Gläubigern abgibt.
Normenkette
BGB § 609 Abs. 2, §§ 610, 626, 554a; EStG § 17 Abs. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten, die durch den Verlust eines Darlehens entstanden sind.
Der Kläger war am Stammkapital der Firma „C-GmbH” (GmbH) von 50.000 DM seit Oktober 1987 mit 25.000 DM beteiligt. Mitgesellschafter war Herr M. W, im Handelsregister eingetragene Geschäftsführerin der GmbH war Frau MW. Angesichts der positiven Entwicklung der GmbH in den Jahren 1991 und 1992 wurde im Juni 1993 eine Gewinnausschüttung beschlossen. Die Ausschüttung wurde körperschaftsteuerlich abgewickelt und einkommensteuerlich erfasst. Allerdings beschlossen die Gesellschafter aufgrund einer leicht rezessiven Entwicklung in 1993, den Auszahlungsanspruch auf die Netto-Ausschüttung der Gesellschaft als verzinsliches Darlehen zur Verfügung zu stellen. Die sich daraus ergebenden Darlehensforderungen der Gesellschafter wurden in den Jahren 1993, 1994 und 1995 verzinst; die Zinseinnahmen wurden entsprechend einkommensteuerlich berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 21. August 1995 teilte die Geschäftsführerin der GmbH dem Kläger und W mit, dass die GmbH – wie schon die Bilanz für 1994 gezeigt habe – nicht mehr in der Lage sei, kostendeckend zu arbeiten. Mit dem bestehenden Personal könne nicht genug Umsatz gemacht werden, um die Gemeinkosten und die Geschäftsführer-Gehälter abzudecken. Die Auswertung der Buchhaltung weise für die Zeit von Januar bis Juni 1995 einen vorläufigen Verlust von 102.263 DM aus. Die Geschäftsführerin der GmbH bat den Kläger und W in dem Schreiben daher abschließend um die Abhaltung einer Gesellschafter/Geschäftsführerversammlung am 1. September 1995, um zu entscheiden, wie man die GmbH weiterführen könne.
Der Kläger und W reagierten darauf mit einem Schreiben vom gleichen Tage. Sie erklärten darin, die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung am 1. September 1995 sei ihnen so kurzfristig nicht möglich. Sie wollten jedoch baldmöglichst auf den Wunsch der Geschäftsführerin zurückkommen. Weiter heißt es: „In diesem Zusammenhang bestätigen wir ausdrücklich Ihre mündlich ausgesprochene Bitte, dass wir unsere auf den Verrechnungskonten stehenden Darlehen von je DM 20.961,01 der Gesellschaft zur Stärkung der finanziellen Situation belassen und nicht abziehen werden, bis die Gesellschaft ihre alte Ertragskraft wiedergefunden hat und Jahresüberschüsse ausweist, die 20% des Stammkapitals übersteigen”.
Trotz des negativen Zwischenergebnisses zum 30. Juni 1995 wies die GmbH für 1995 einen Jahresüberschuss von 2.116 DM und ein Eigenkapital einschließlich des Stammkapitals von 90.843 DM aus.
Im Zuge des Veranlagungszeitraums 1996 geriet die GmbH endgültig in die Krise, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Der Jahresfehlbetrag für 1996 betrug 140.141 DM. Insgesamt stellte sich die Entwicklung der GmbH in den Jahren 1991 bis 1996 wie folgt dar:
|
Jahresüberschuss |
Eigenkapital lt. Bilanz |
Gesellschafter-Darlehen |
1991 |
36.050 DM |
91.421 DM |
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1992 |
56.895 DM |
140.827 DM |
|
1993 |
1.446 DM |
103.211 DM |
n.n. |
1994 |
./. 14.484 DM |
88.727 DM |
20.961 DM |
1995 |
2.116 DM |
90.843 DM |
n.n. |
1996 |
./. 140.141 DM |
./. 49.297 DM |
22.638 DM |
Nach Feststellung des Jahresabschlusses 1996 trat der Kläger seinen Geschäftsanteil an der Gesellschaft einschließlich des Gesellschafterdarlehens mit notariellem Vertrag vom 1. August 1997 (ESt-Akte, Vorgang 1997) zum Preise von 1 DM an einen Käufer ab, mit dem er weder verwandt noch verschwägert war.
In der Einkommensteuererklärung für 1997, die im Mai 1998 beim Beklagten einging, machte der Kläger einen gewerblichen Veräußerungsverlust gemäß § 17 EStG aus der Veräußerung des GmbH-Anteils von 47.877 DM geltend. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem Verlust des Anteils am Stammkapital (25.000 DM), den Anschaffungsnebenkosten und dem Nennbetrag der stehengelassenen Darlehensforderung im Zeitpunkt der Anteilsveräußerung (22.638 DM). Nachdem der Beklagte den Veräußerungsverlust zunächst vollumfänglich nicht anerkannt hatte, berücksichtigte er den Verlust im Änderungsbescheid vom 9. Dezember 1998 mit 25.239 DM.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 24. März 1999 aus: Das der GmbH gewährte Darlehen sei im Streitfall dadurch kapitalersetzend geworden, dass der Kläger ist bei Eintritt der Krise nicht abgezogen habe. Das Darlehen sei nicht bereits bei Abschluss der Vereinbarung vom 21. August 1995 kapitalersetzend geworden. In dieser Vereinbarung liege kein Verzicht auf das außerordentliche ...