Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalgesellschaftsbeteiligung notwendiges BV eines Freiberuflers
Leitsatz (redaktionell)
1) "Geldgeschäfte", die ihrer Art nach zu Einkünften aus § 20 EStG führen, sind der persönlichkeitsbezogenen freiberuflichen Tätigkeit grundsätzlich wesensfremd und deshalb getrennt zu beurteilen, auch wenn sie der Stpfl. im sachlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner eigentlichen Tätigkeit eingegangen ist.
2) Im Einzelfall kann die Eingehung von "Geldgeschäften" als Hilfstätigkeit zur freiberuflichen Tätigkeit angesehen werden. Dies gilt auch für die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, etwa dann, wenn mit der Beteiligung eine auf die Vergabe von Aufträgen gerichtete Geschäftsbeziehung besteht.
3) Hierbei ist zu unterscheiden zwischen einem "Geldgeschäft", bei dem die Gewinnung eines neuen Auftraggebers lediglich ein erwünschter Nebeneffekt ist und einem Geschäft, das ohne die Aussicht auf neue Aufträge nicht zustande gekommen wäre.
Normenkette
EStG § 4
Tatbestand
Streitig ist, ob der Verkaufserlös, den der verstorbene Ehemann der Klägerin im Streitjahr – 1996 – aus dem Verkauf von nicht wesentlichen Anteilen an einer englischen Kapitalgesellschaft erzielt hat, der Einkommensteuer zu unterwerfen ist.
Der Ehemann der Klägerin, Herr Dr. T, war als Chemiker selbständig tätig; er ermittelte seinen Überschuss mittels einer Einnahme-Überschuss-Rechnung. Er wurde mit seiner Ehefrau – der Klägerin – im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Herr Dr. T war 1928 geboren und ist 1999 verstorben. Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin nach ihrem Ehemann.
Der Beklagte führte bei der Klägerin für den Betrieb ihres verstorbenen Mannes eine Betriebsprüfung durch, die auch das Streitjahr umfasste (Bericht vom 21.6.1999). Dabei stellte der Prüfer fest, dass Herr Dr. T im Streitjahr einen Betrag von 800.000 Pfund Sterling von einer britischen Ltd. erhalten hatte.
Der Sachverhalt stellte sich dabei wie folgt dar :
Herr Dr. T war im Prüfungszeitraum zum weit überwiegenden Teil seines Umsatzes (60 bis 80%) für die britische Kapitalgesellschaft „D Limited’ (nachfolgend: D) in beratender Funktion als Diplomchemiker freiberuflich tätig; hierfür erhielt er eine vom Umsatz abhängige Provision, gestaffelt nach den jeweiligen Produkten. Außerdem war er als member of the board dieser Firma deren director; er hielt eine Beteiligung an der D über 100 Anteile von insgesamt ausgegebenen 2.000 Anteilen über jeweils 1 Pfund Nennwert.
Die Tätigkeit der Gesellschaft umfasste die Herstellung und den Verkauf von beschichteten Papieren. Die beratende Tätigkeit des Herrn Dr. T bezog sich auf die Erstellung von Formeln (Mixturen) für einen Teil der Beschichtungen. Diese Formeln wurden in seinem Labor in N entwickelt und dann der D zur Verfügung gestellt.
Am …1996 übertrug Herr Dr. T seine Anteile an der D an die G Limited. Als Entgelt wurden 800.000 Pfund vereinbart und gezahlt. Herr Dr. T verpflichtete sich zugleich, das ihm zustehende Kündigungsrecht (Klausel 7 (1)a des Beratervertrages mit D vom …1993) nicht vor dem 20.06.1997 auszuüben.
Die Betriebsprüfung behandelte die Zahlung als betriebliche Einnahme und erhöhte die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit um 1.832.000,–DM (800.000 × Kurs im Monat Juni 1996 = 2,29). Die Beteiligung an der D wertete der Betriebsprüfer als notwendiges Betriebsvermögen, da sie die freiberufliche Tätigkeit des verstorbenen Ehemannes entscheidend unterstützt habe. Hinzu komme, dass nach britischem Recht und gesellschaftlichem Verständnis eine leitende Funktion in einer Kapitalgesellschaft ohne eine – wenn auch nur minimale – Beteiligung an dieser nicht denkbar sei. Das Halten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sei im Zusammenhang mit einer Vorstandsstellung in Großbritannien durchaus üblich und werde ebenso erwartet, es handele sich dabei um sog. ‚qualification shares’. Auf Tz. 10 des Betriebsprüfungsberichts vom 21.06.1999 wird hierzu verwiesen.
Der Beklagte folgte der Auffassung des Prüfers und erließ am 6.6.2000 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 1996, in dem er die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit mit 2.263.253 DM ansetzte.
Den dagegen eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass kein notwendiges Betriebsvermögen vorliege, wenn der Betrieb der Kapitalgesellschaft der freiberuflichen Tätigkeit wesensfremd sei. Ihrer Meinung nach sei für die Beurteilung der Beteiligung als Betriebs- oder Privatvermögen entscheidend, welche Sachverhaltskonstellation zum Zeitpunkt des Erwerbs der Beteiligung und nicht während des Prüfungszeitraums bestanden habe. Sie erläuterte hierzu den Umfang der beruflichen Tätigkeit des Herrn Dr. T und die Entstehung der Beteiligung in England.
Die Beteiligung habe Herrn Dr. T keine wirtschaftlichen Vorteile für seine freiberufliche Tätigkeit verschafft. Die Zeichnung eines Anteils von lediglich 100 Pfund verdeutliche den mehr symbolischen Charakter der Beteiligung. Sie zeige nicht den Willen des Herrn Dr. T,...