Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereitstellung von Adressen für sog. Mailing-Aktionen als selbständige Hauptleistung; Vertrauensschutz, wenn Finanzbehörde Änderung des eigenen Standpunktes des Steuerpflichtigen veranlasst
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Bereitstellung von Adressen durch den Steuerpflichtigen für von ihm im Auftrag seiner Kunden durchgeführte sog. Mailing-Aktionen ist als selbständige (Haupt-) Leistung zu qualifizieren, die dem Regelsteuersatz unterliegt.
2) Wurde der Steuerpflichtige durch eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung veranlasst, seinen eigenen Standpunkt in einer Streitfrage aufzugeben, sich der Rechtsansicht des Finanzamtes erstmalig anzuschließen und praktische Konsequenzen zu ziehen, stellt das Verhalten des Finanzamtes ein vertrauensbildendes Verhalten dar. Die Finanzbehörde ist an diese Beurteilung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gebunden. Der Vertrauenstatbestand fällt nicht dadurch fort, dass das Finanzamt eine verbindliche Zusage gem. § 204 AO mit dem formalen Argument ablehnt, es fehle an einem Zusageinteresse des Steuerpflichtigen, wenn das Finanzamt gleichzeitig seine getroffene Aussage zur materiellen Beurteilung der Streitfrage für die Zukunft bestätigt.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2; AO 1977 § 164 Abs. 2, § 204; UStG § 12 Abs. 1
Nachgehend
BFH (Rücknahme vom 20.09.2004; Aktenzeichen V B 54/03) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob sogenannte Mailings, die die Klägerin für soziale Organisationen durchführt, umsatzsteuerrechtlich als einheitliche Leistung anzusehen und insgesamt dem begünstigten Steuersatz zu unterwerfen sind oder ob die Beistellung von Adressen als gesonderte Hauptleistung dem Regelsteuersatz unterfällt.
Die Klägerin ist eine GmbH, die für soziale Organisationen Leistungen auf dem Gebiet des Marketing erbringt, wie z.B. Spendenwerbung, Mitgliederwerbung und -betreuung, imagefördernde Maßnahmen und damit verbundene Arbeiten. In den Streitjahren 1991 bis 1993 war die Klägerin u.a. für das E. und den X. tätig, für die sie sogenannte Informations-Mailings durchführte. Dabei handelte es sich um Postsendungen, die informative Broschüren oder Zeitungen mit Berichten der sozialen Organisationen über ihre Arbeit enthielten. Gleichzeitig wurden die Empfänger der Sendungen zu Spenden an die jeweilige Organisation aufgerufen. Hierzu war den Mailings ein vorbereiteter Überweisungsträger beigefügt.
Zum Leistungsumfang der Klägerin gehörte die Erstellung und der Druck der Zeitungen bzw. der Broschüren, der Druck der Zahlscheine sowie der Druck der Briefbögen. Weiterhin übernahm die Klägerin jeweils vertragsgemäß den Postversand an die pro Mailing-Aktion teilweise mehr als vier Millionen Empfänger der Sendungen. Hierzu stellte die jeweilige auftraggebende Organisation regelmäßig ihre Adressdateien der Spender, Mitglieder und bekannten Interessenten zur Verfügung. In einer Vielzahl von Fällen sollten aber darüber hinaus neue Adressaten angeschrieben werden. In diesen Fällen wurde in Absprache mit der jeweiligen Auftraggeberin eine Zielgruppe bestimmt. Die erforderlichen Adressen der Empfänger mietete die Klägerin für jeweils eine Mailing-Aktion bei verschiedenen hierfür spezialisierten Unternehmen an. Durch die persönliche Adressierung und persönliche Anrede der Empfänger sollte eine Erhöhung der Spendenbereitschaft erreicht werden. Die eingesetzten Adressen wurden von der Klägerin EDV-mäßig durch Konvertierung, Einsatz der sog. Robinsonliste, Ausfiltern von Doppeladressen und nicht gewünschten Zielgruppen und weitere Abgleichungen bis zur Postoptimierung aufbereitet. Die Daten wurden von einem Lasershop personalisiert und von einem Letter-Shop bearbeitet. Danach wurden Brief, Zahlkarte, Broschüre bzw. Zeitung gefalzt, kuvertiert und zur Post gegeben.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin grundsätzlich und auch in den Streitjahren die von ihr angemieteten Adressenbestände nur für die jeweilige Mailing-Aktion in ihrem Geschäftsbereich verwendet, nicht der Auftraggeberin zugänglich macht und in Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften zum Datenschutz nach Abschluss des Auftrages wieder löscht. Die auftraggebende soziale Organisation hat nur die Möglichkeit neue Adressen dadurch zu sammeln, dass durch die Mailing-Aktion ein Teil der Empfänger dem Spendenaufruf folgt. Die Klägerin bearbeitet regelmäßig auch diesen sog. Spendenrücklauf, u.a. durch Ausstellung von Spendenquittungen und die Weitergabe der Spenderadressen an die Klägerin, die nur auf diese Weise verwendete Adressen in den eigenen Bestand aufnehmen kann.
Nach den in den Handakten der Groß-Bp in Kopie enthaltenen Rechnungen wurden in den Streitjahren folgende Adressenbestände für die Mailing-Aktionen verwendet: „…,…”, „…, …”, „…, …, …”, „…”, „….”, „…”, „…”, „…, …”, „…, …”, „…”, „…, …”, „…, …, …”, „… / …,… +…, … sowie… + …”, „…, …”, „…” (…-Herbstmailing '…, Rg. v. …, Bp-Handakte I, Bl. 146 und 147 sowie …-Frühjahrsmailing …, Rg. v. …., Bp-Handakte I, Bl. 161 – 163).
Aus den von der Klägerin dem G...