Entscheidungsstichwort (Thema)
Grobes Verschulden, Rückforderung von Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
1.) Grundlage für das Behaltendürfen des ausgezahlten Kindergeldes ist ein entsprechender Kindergeldfeststetzungsbescheid. Wird dieser aufgehoben, weil der Kindergeldberechtigte seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt, kann das Kindergeld auch bei materiell-rechtlich unstreitiger Berechtigung von der Familienkasse zurückgefordert werden (ggfs. abweichend vom BFH v. 6.2.1996 - VII R 50/95, BStBl. II 1997, 112, 114).
2.) Den Steuerpflichtiger trifft ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der fortdauernden Ausbildung eines Kindes, wenn er trotz Aufforderung und Erinnerung durch die Familienkasse Unterlagen nicht vorlegt, die erforderlich sind, um der Behörde die Prüfung zu ermöglichen, ob und ggfs. für welchen Zeitraum Kindergeld festzusetzen ist.
3.) Der Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB ist im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO nicht anwendbar.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1; EStG § 62; AO § 37
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, einen bestandskräftigen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid aufzuheben.
Der Kläger erhielt für seinen Sohn Kindergeld. Er hatte am 19. Oktober 2001 die Ausbildungsbescheinigung an die Beklagte geschickt. Danach dauerte die Ausbildung vom 1. August 2001 bis zum 31. Januar 2005.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 und Erinnerung vom 9. Februar 2005 forderte die Beklagte den Kläger auf, Unterlagen einzureichen, aus denen sich das Ausbildungsende ergab. Da dies nicht geschah, hob die Beklagte mit Verfügung vom 6. Oktober 2005 die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Oktober 2001 bis Dezember 2004 auf und forderte das für diesen Zeitraum für das Kind T (geb. 13. April 1982) gezahlte Kindergeld zurück. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid eingelegte Klage nahm der Kläger zurück.
Am 25. April 2007 beantragte der Kläger die Aufhebung des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids. Diesen Antrag wies die Beklagte mit Verfügung vom 15. Mai 2007 zurück, ebenso den hiergegen eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2007.
Mit der Klage trägt der Kläger vor:
Sein Sohn T habe sich bis zum 19. Januar 2005 bei der Firma S in Ausbildung zum Elektroinstallateur befunden. Deshalb sei die Auszahlung des Kindergelds unstreitig zu Recht erfolgt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestehe kein Erstattungsanspruch der Behörde, wenn ein nach der materiellen Rechtslage geschuldeter Betrag gezahlt worden sei (vgl. BFH in BStBl II 1997, 112, 114).
Im Übrigen sei das Kindergeld für den laufenden Lebensunterhalt verbraucht worden, so dass er inzwischen entreichert sei.
Sofern überhaupt eine unterlassene Mitwirkung in Betracht komme, habe er es allenfalls leicht fahrlässig unterlassen, die Bescheinigung über das Ausbildungsende einzureichen.
Die vom Kläger nachgereichte Bescheinigung über das Ausbildungsende am 19. Januar 2005 datiert vom 4. Juli 2006.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 15. Mai 2007 und der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2007 zu verpflichten, den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 6. Oktober 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten, vgl. § 101 der Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 6. Oktober 2005 aufzuheben.
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 der Abgabenordnung 1977 – AO – (der hier allein in Betracht kommenden Änderungsvorschrift) ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.
Nach § 31 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG – wird Kindergeld als Steuervergütung gezahlt. Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind gemäß § 155 Abs. 4 AO auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden, mithin auch die Änderungsvorschrift des § 173 AO.
Den Kläger trifft im Streitfall ein grobes Verschulden daran, dass die Tatsache, dass die Ausbildung des Sohnes T am 19. Januar 2005 geendet hat, erst nachträglich der Beklagten bekannt geworden ist.
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem, nicht entschuldbarem Maße verletzt. So liegt z.B. grobes Verschulden vor, wenn es der Steuerpflichtige a...