Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzungsverjährung eines Freistellungsanspruchs nach § 32 Abs. 5 KStG. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 38/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Für den gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 KStG erforderlichen Antrag auf Kapitalertragsteuererstattung gelten die allgemeinen Verjährungsfristen gemäß §§ 169 bis 171 AO.
2. Die aus §§ 169 bis 171 AO folgende Verjährungsregelung ist mit dem EU-Recht vereinbar.
Normenkette
AO § 169 ff.; EStG §§ 43-44, 20 Abs. 1 Nr. 1; KStG § 32 Abs. 5
Nachgehend
BFH (Aktenzeichen I R 8/23) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin bezüglich des Streitjahres 2008 ein Anspruch auf Erstattung von Kapitalertragsteuer gemäß § 32 Abs. 5 KStG zusteht oder ob der Anspruch festsetzungsverjährt ist.
Die Klägerin ist eine auf Zypern ansässige Kapitalgesellschaft. Sie wurde im Jahr … nach dem Recht der Republik Zypern als Limited gegründet (damals unter dem Namen A Limited) und hat nach der Umwandlung im Januar … in eine Public Company Limited im September … ihre derzeitige Rechtsform einer SE angenommen. Die Anteile an der Klägerin wurden im streitgegenständlichen Jahr zu 95 % von der B Ltd. mit Sitz auf den Bermudas und zu 5 % von der C Ltd. mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln gehalten. Seit dem Jahr … verfügt die Klägerin über Aktien am … Unternehmen D AG. Im Streitjahr … belief sich ihr Anteil auf 7,… %.
Auf eine aus dieser Beteiligung im Jahr 2008 zugeflossene Gewinnausschüttung in Höhe von 6.005.030 € wurde Kapitalertragsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag i.H.v. 1.267.061,33 € (20 % Kapitalertragsteuer i.H.v. 1.202.006 € zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag i.H.v. 66.055,33 €) einbehalten und abgeführt.
Im Rahmen des Erstattungsverfahrens nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 DBA Deutschland-Zypern erfolgte mit Freistellungs- und Erstattungsbescheid vom 15. Januar 2009 eine Teilentlastung bis zum Reststeuersatz von 15 % (Erstattung von Kapitalertragsteuer i.H.v. 300.251,50 € zzgl. 66.055,33 € Solidaritätszuschlag; vgl. Bl. 14 der Verwaltungsakte des Beklagten zum Az. …).
Mit Schreiben vom 13. November 2013, eingegangen beim Beklagten am 13. November 2013, beantragte die Klägerin die Erstattung der verbliebenen Kapitalertragsteuer gemäß § 32 Abs. 5 KStG in Höhe von 900.75,50 €.
Der Beklagte lehnte diesen Antrag, ebenso wie die gleichzeitig für die Jahre 2009 bis 2012 gestellten Anträge, mit Bescheid vom 3. Dezember 2015 ab.
Das darauf folgende Einspruchsverfahren wurde vom Beklagten zunächst im Hinblick auf das beim FG Köln anhängige Verfahren mit dem Az. 2 K 283/16 ruhend gestellt und später aufgrund der angenommenen fehlenden Streiterheblichkeit auf Antrag der Klägerin fortgeführt. Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2020 trennte der Beklagte den Erstattungsantrag für 2008 von den Anträgen der Jahre 2009 bis 2012 verfahrenstechnisch ab und lehnte diesen im Hinblick auf die von ihm angenommene Festsetzungsverjährung ab.
Die Festsetzungsfrist für Erstattungsfälle nach § 32 Abs. 5 KStG richte sich nach den allgemeinen Regeln der Abgabenordnung. Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginne die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 und 3 EStG entstehe die Kapitalertragsteuer in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen. In diesem Zeitpunkt sei durch den Schuldner der Erträge der Steuerabzug für den Gläubiger vorzunehmen. Auch bei Dividendenzahlungen gelte Entsprechendes (vgl. § 44 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Die einbehaltene Steuer sei gemäß § 44 Abs. 1 S. 5 EStG jeweils bis zum Zehnten des Folgemonats an das zuständige Finanzamt abzuführen und eine nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck entsprechende Steueranmeldung sei auf elektronischem Wege zu übermitteln (vgl. § 45a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 EStG). Aufgrund dieser gesetzlichen Verpflichtung zur Abgabe der Kapitalertragsteueranmeldung sei zu unterstellen, dass eine ordnungsgemäße Abgabe innerhalb der genannten Frist erfolgt sei und somit die Festsetzungsfrist grundsätzlich im Jahr des Zuflusses beginne. Im vorliegenden Fall bedeute dies, dass die Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2008 begonnen habe.
Die Anlaufhemmung im Sinne des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO finde keine Anwendung. Denn vorliegend handele es sich nicht um ein Veranlagungsverfahren, sondern um ein Erstattungsverfahren. Die Klägerin sei darüber hinaus nicht gesetzlich verpflichtet, einen Erstattungsantrag beim Beklagten zu stellen. Die Festsetzungsfrist beginne somit nicht erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folge, in dem die Steuer entstanden sei.
Gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO betrage die Festsetzungsfrist vier Jahre und ende mit Ablauf des 31. Dezember 2012. Der am 13. November 2013 eingegangene Antrag der Klägerin auf Erstattung der Kapitalertragsteuer sei somit verfristet.
Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Erstattung des Restbetrag...