Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage des Vorliegens einer Lieferung bei dezentral verbrauchtem Strom
Leitsatz (redaktionell)
1. Strom ist grundsätzlich ein Gegenstand, der geliefert werden kann. Infolge der fehlenden Einspeisung des Stroms in das allgemeine Stromnetz werden weder Substanz, noch Wert oder Ertrag des in der KWK-Anlage erzeugten und dezentral verbrauchten Stroms vom WVV auf die Stpfl. übertragen. Die Stpfl. erhält weder auf Grund des Netzanschlusses noch auf Grund ihrer Verpflichtung zur Zahlung des Zuschlags die Befähigung, wie ein Eigentümer über den dezentral verbrauchten Strom zu verfügen.
2. Angesichts der durch den erkennenden Senat vorgenommenen Auslegung des Lieferungsbegriffs kann die Auffassung der Finanzverwaltung, dass im Fall des dezentralen Stromverbrauchs – vorliegend durch den WVV – eine Lieferung an den Netzbetreiber – vorliegend die Stpfl. – als erster Teil der Hin- und Rücklieferungskonstruktion angenommen wird, keinen Bestand haben
Normenkette
MwStSystRL Art. 14 Abs. 1; UStG § 3 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die umsatzsteuerliche Behandlung des sog. Direktverbrauchs von zuschlagsberechtigten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) beim Betreiber des Stromnetzes umstritten.
Die Klägerin bündelt sämtliche Aufgaben rund um Bau, Betrieb, Netzwirtschaft, Asset- und Zählermanagement in den Bereichen Strom-, Gas-, Wärme- und Wassernetze in der Stadt Z, in der … Z sowie in Teilen der Kreise Y und X. An die von ihr betriebenen Stromverteilernetze sind von Anlagenbetreibern betriebene KWK-Anlagen angeschlossen. Hierbei handelt es sich nicht nur um solche Anlagen, die den Strom in das Netz der Klägerin einspeisen, sondern auch um solche, deren Betreiber den produzierten Strom (nahezu) ausschließlich selbst, d. h. dezentral, verbrauchen. Gemäß § 4 Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz in der im Streitjahr gültigen Fassung (KWKG 2002 i.d.F. vom 25.10.2008, gütig ab 01.01.2009, nachfolgend KWKG 2009) ist die Klägerin gegenüber jedem KWK-Anlagenbetreiber verpflichtet, den Strom, der von den an ihr Verteilernetz angeschlossenen Anlagen produziert wird, abzunehmen und nach den einschlägigen Verrechnungssätzen zu vergüten. Für den aufgenommenen Strom sind der Preis, der zwischen den Beteiligten vereinbart wurde, sowie ein Zuschlag zu entrichten. Dieser Zuschlag ist nach § 4 Abs. 3a KWKG 2009 auch für den Strom zu bezahlen, der aufgrund des dezentralen Verbrauchs tatsächlich nicht in ein Netz für den allgemeinen Gebrauch eingespeist wird.
Im Rahmen der bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der W, für die Jahre 2009 – 2012 vom Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Z (BP) durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass diese gegenüber KWK-Anlagenbetreibern, die den produzierten Strom zu einem großen Teil bzw. nahezu ausschließlich selbst nutzten, neben Gutschriften über den KWK-Zuschlag keine Abrechnungen erstellt hat. Nach Auffassung der BP wäre dies bei Beachtung der Regelungen in Abschnitt 2.5 UStAE erforderlich gewesen, da hiernach fingiert werde, dass der gesamte von den Betreibern der KWK-Anlagen erzeugte Strom zunächst in das öffentliche Stromnetz eingespeist und dann hinsichtlich des vom Anlagenbetreiber selbst verbrauchten Stroms durch den Stromnetzbetreiber wieder zurück geliefert wird.
Im Ergebnis ermittelte die Betriebsprüfung (Netto-)Umsätze i.H.v. 3.858 € (2009), 251.413 € (2010), 539.537 € (2011) und 531.140 € (2012), für die bislang – nach Auffassung der BP zu Unrecht – sowohl eine Abrechnung im Hinblick auf dezentral verbrauchten Strom als auch die Abführung der darauf entfallenden Umsatzsteuer unterblieben sei (vgl. Tz. 2.2 des BP-Berichts vom 18.11.2016, BP-Akte).
Zu den betroffenen Anlagenbetreibern gehörte seit dem Kalenderjahr 2010 unter anderem der V (WVV). Als Körperschaft des öffentlichen Rechts nutzte dieser die KWK-Anlage, die an sein eigenes Stromnetz (sog. Kundenanlage) angeschlossen war, im Rahmen seiner hoheitlichen Tätigkeit und war nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Auf ihn entfiel als Bemessungsgrundlage im Jahr 2010 ein Betrag i.H.v. 215.852 €, was zu einer Umsatzsteuer i.H.v. 41.012 € führte (vgl. Tz. 2.2 des BP-Berichts vom 18.11.2016, BP-Akte).
Während der laufenden Betriebsprüfung fakturierte die Klägerin im Dezember 2014 die Rechnungen und Gutschriften „nachträglich” gegenüber dem WVV (Rechnungen über Rücklieferungen an Anlagenbetreiber WVV vom 22.12. sowie 29.12.2014 und Gutschriften über Lieferung an Netzbetreiber vom 23.12. sowie 29.12.2014, vgl. FG-Akte, Bl. 182 ff.).
Das für die Rechtsvorgängerin der Klägerin zuständige Finanzamt Z folgte der Auffassung der BP und erließ unter dem 18.01.2017 Änderungsbescheide.
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs wies die Klägerin darauf hin, dass einige Anlagenbetreiber aufgrund ihrer individuellen steuerlichen Situation nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt seien und die Zahlung der Umsatzsteuerbeträge daher verweige...