Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Vorsteuervergütung; Frage der wirksamen Antragstellung
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann ein Vergütungsgläubiger den Nachweis seines Anspruchs auf Erstattung der Umsatzsteuer auch durch Vorlage einer Zweitschrift oder einer Ablichtung der Rechnung führen, wenn das Original aus von ihm nicht zu vertretenen Gründen abhanden gekommen ist, der dem Erstattungsantrag zu Grunde liegende Vorgang tatsächlich stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere Erstattungsanträge gestellt werden.
2. Da es sich bei dem Umstand, dass Rechnungen unverschuldet untergegangen sind, um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt, trägt die Stpfl. insoweit die Darlegungslast.
Normenkette
UStG § 18 Abs. 9 S. 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Vorsteuern in einer Höhe von 21.656,12 € für den Zeitraum Januar bis Dezember 2006.
Die Klägerin ist Unternehmerin mit Sitz in Frankreich. Sie ist Teil des … Konzerns.
Am 29.06.2007 stellte sie einen Antrag auf Vergütung von Vorsteuern für den Streitzeitraum.
Diesen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24.10.2008 ab, da eine Vergütung nur bei Vorlage von Originalbelegen möglich sei.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 25.11.2008.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 02.05.2011 als unbegründet zurück.
Die Klägerin habe im Einspruchsverfahren lediglich eingescannte Rechnungen vorgelegt. Trotz Aufforderung habe sie die Originalrechnungen nicht eingereicht. Eine Vergütung ohne Vorlage der Originalrechnungen käme nicht in Betracht.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 01.06.2011.
Zur Begründung trug sie vor, dass die Klägerin ursprünglich einen Antrag auf Vergütung von Vorsteuern unter Beifügung von Rechnungskopien gestellt habe. Die dazugehörigen Originalrechnungen hätten sich zu diesem Zeitpunkt bei dem Bevollmächtigten befunden, welcher die Originalrechnungen separat an den Beklagten übersandt habe. Die Mitarbeiterin Frau H habe die entsprechenden Unterlagen dem Kurierdienst „K” übergeben. Ausweislich der Annahmebestätigung (Bl. 77) sei das Paket mit den Unterlagen am 29.06.2007 um 9:15 Uhr bei Herrn A an der Adresse des Beklagten übergeben worden.
Im anschließenden Vergütungsverfahren seien nur die Rechnungskopien entwertet und zurückgeschickt worden. Der Verbleib der Originalrechnungen könne nicht geklärt werden. Es sei anzunehmen, dass die Rechnungen beim Beklagten verloren gegangen seien.
Die Klägerin habe einen Anspruch auf Vergütung von Vorsteuern in der beantragten Höhe, da sie im Zusammenhang mit der Antragstellung die Originalrechnungen vorgelegt habe. Die Belege seien durch das Organisationsverschulden des Beklagten untergegangen. Daher habe eine Vergütung auf Basis der darüber hinaus vorgelegten Rechnungskopien zu erfolgen. Es entspreche der Rechtsprechung des EuGH, dass – soweit Rechnungen aus von einem Steuerpflichtigen nicht zu vertretenden Gründen untergehen – eine Vergütung aufgrund von Zweitschriften zu erfolgen habe (EuGH, Urteil vom 11.06.1998 C-361/96).
Die Klägerin sei ohne ihr Verschulden nicht mehr in der Lage, die Originalrechnungen vorzulegen. Daher müssten einfache Kopien im Hinblick auf die Vorsteuervergütung akzeptiert werden.
Die durch den Beklagten entwerteten und zurückgesandten Rechnungskopien seien durch die Klägerin inzwischen vernichtet worden.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 24.10.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.05.2011 dahingehend abzuändern, dass für den Zeitraum Januar bis Dezember 2006 Vorsteuern in einer Höhe von 21.656,12 € vergütet werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte habe am 29.06.2007 zwei Vergütungsanträge im Original erhalten. Den Anträgen habe jeweils ein Begleitschreiben der Klägerin sowie ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten beigelegen. Allerdings seien nur dem Vergütungsantrag des Prozessbevollmächtigten Rechnungen (in Kopie) beigefügt gewesen. Nur in diesem Schreiben sei auf die Rechnungen als Anlage hingewiesen worden.
Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt Originalrechnungen an den Beklagten übersandt. Bei den Unterlagen, die mit dem Postdienstleister „K” übersandt worden seien, habe es sich um Farbkopien gehandelt. Aus der Aktenlage sei nicht ersichtlich, dass Rechnungskopien und Originalrechnungen vorgelegt worden seien. Aus Sicht des Beklagten – und dies habe die Klägerin ursprünglich auch vorgetragen – habe die Klägerin selbst am 28.06.2007 ausschließlich das ausgefüllte und von ihr unterschriebene Antragsformular übersandt. In einem Begleitschreiben heiße es auch:
„Die dazugehörigen Unterlagen werden Ihnen von unserem Steuerberater M und Partner in S separat zugeschickt”.
Auch in dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 28.06.2007 werde darauf hingewiesen, dass Originalrechnungen im Zusammenhang mit einem Vorsteuervergütungsantrag übersandt würden, wobei der Antrag bereits durch die Mandantin separat übersandt worden sei...