Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahren zur Überprüfung der Wirksamkeit einer Aufrechnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Wirksamkeit einer Aufrechnung kann im finanzgerichtlichen Verfahren nicht im Rahmen einer Leistungsklage überprüft werden, da der Stpfl. das Ziel der Klage auch durch eine Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Abrechnungsbescheid erreichen könnte und die Leistungsklage insoweit subsidiär ist.
2. Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehört auch der streitige Umsatzsteuererstattungsanspruch. Die AO kennt kein besonders geregeltes Verfahren für die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs. Deshalb muss die Finanzbehörde bei Streitigkeiten über die Verwirklichung von Zahlungsansprüchen, bei denen ein Beteiligter gelten macht, der Anspruch sei durch Aufrechnung erloschen, in jedem Fall durch Verwaltungsakt gem. § 218 Abs. 2 AO darüber entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe der geltend gemachte Anspruch noch besteht. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft.
Normenkette
AO §§ 47, 218 Abs. 2; FGO § 40 Abs. 1; AO § 37
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Fragen, ob der Beklagte die Aufrechnungsmöglichkeit mit Vorsteuerguthaben der späteren Insolvenzschuldnerin in anfechtbarer Weise erlangt hat und in welcher verfahrensrechtlichen Weise der ggf. bestehende Erstattungsanspruch der Insolvenzverwalterin geltend zu machen ist.
Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der A … GmbH, über deren Vermögen auf eigenen Antrag der Insolvenzschuldnerin vom ….7.2007 mit Beschluss des Amtsgerichts D vom 24.8.2007 – AZ: 1 – das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Am 7.5.2007, 8.6.2007 und 13.7.2007 reichte die Insolvenzschuldnerin bei dem Beklagten Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Zeiträume April bis Juni 2007 ein, aus denen sich Erstattungsguthaben i.H.v. 39.210,10 EUR (April 2007), 29.683,50 EUR (Mai 2007) und 53.607,13 EUR (Juni 2007) ergaben.
Ausweislich der im Konto des Beklagten ausgewiesenen Umbuchungen (Kontoauszug vom 12.6.2014) wurde der Erstattungsbetrag aus der Voranmeldung April 2007 am 7.5.2007 gegen Steuerverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin für Lohnsteuer 2007, Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer 2007, Kirchenlohnsteuer rk.2007, Kirchenlohnsteuer ev. 2007 und Umsatzsteuer II/2006 aufgerechnet. Ebenso erfolgte ausweislich der Umbuchungsmitteilung vom 19.6.2007 die Aufrechnung des Erstattungsbetrages aus der Voranmeldung Mai 2007 gegen Steuerverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin für Umsatzsteuer 2003, Fälligkeit 10.8.2006. Schließlich wurde ausweislich der Umbuchungsmitteilung vom 25.7.2007 der Erstattungsbetrag aus der Voranmeldung Juni 2007 gegen Steuerverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin für Umsatzsteuer 2003, Fälligkeit 10.8.2006, Umsatzsteuer 2004, Fälligkeit 2.2.2007, 22.2.2007 und 10.4.2007, Umsatzsteuer II/2006, Fälligkeit 10.8.2006, sowie Umsatzsteuer IV/2006, Fälligkeit 3.4.2007 aufgerechnet.
Mit Schreiben vom 17.12.2008 an den Beklagten focht die Klägerin die vorgenannten Verrechnungen in voller Höhe an und forderte die Erstattungsbeträge i.H.v. 122.389,73 EUR zur Masse zurück. Die Verrechnungen ab Mai 2007 seien auf Antrag der Insolvenzschuldnerin innerhalb des anfechtbaren Dreimonatszeitraums der §§ 130, 131 InsO erfolgt. Die Insolvenzschuldnerin sei im Zeitpunkt der Vornahme der Verrechnungen zahlungsunfähig im Sinne des § 17 InsO gewesen. Diese Zahlungsunfähigkeit sei dem Beklagten auch bekannt gewesen. Daneben unterlägen sämtliche in den letzten 3 Monaten vor dem Insolvenzantrag vorgenommenen Verrechnungen der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 InsO sowie nach § 133 InsO. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben der Klägerin vom 17.12.2008 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 5.1.2009 wies der Beklagte das Erstattungsbegehren der Klägerin zurück. Entgegen der Darstellung der Klägerin handele es sich nicht um Verrechnungsstundungen, sondern um Aufrechnungen des Finanzamtes nach § 226 AO. Gründe, die einer Aufrechnung entgegenstünden, seien nicht erkennbar. Das Recht zur Aufrechnung werde nach § 94 InsO auch durch ein eröffnetes Insolvenzverfahren nicht berührt.
Am ….12.2010 erwirkte die Klägerin bei dem Amtsgericht B gegen den Beklagten einen Mahnbescheid über den begehrten Erstattungsbetrag i.H.v. 122.389,73 EUR. Nachdem der Beklagte hiergegen Widerspruch erhoben hatte, berichtigte die Klägerin das Rubrum der Klage dahingehend, dass Beklagter das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Beklagten, sein solle, und begründete sodann ihre unter dem AZ: 2 bei dem Landgericht D anhängig gewordene Klage wie folgt:
Gegen den Beklagten würden Anfechtungsansprüche geltend gemacht aus der Verrechnung von Steuererstattungsguthaben im anfechtbaren Dreimonatszeitraum vor Insolvenzantragstellung. Diese Beträge seien gemäß § 143 InsO zur Masse zurückzugewähren. Die drohende Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin habe sich spätestens seit Ende des Jahres 2005 abgezeichnet. Die Bilanz 2...