Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlungspflichten vor öffentlicher Zustellung
Leitsatz (redaktionell)
Eine öffentliche Zustellung erfordert den Versuch, die Anschrift des Steuerpflichtigen durch Nachfrage bei der Meldebehörde zu ermitteln, selbst wenn es sich um eine ausländische Meldebehörde handelt, bei der der Steuerpflichtige zuletzt ordnungsgemäß gemeldet gewesen sein könnte.
Eine öffentliche Zustellung gem. § 15 Abs. 1 Buchst. c VwZG ist nicht zulässig, soweit eine Zustellung in Spanien erfolgen müsste.
Eine unwirksame öffentliche Zustellung wird durch Übersendung einer Fotokopie des Verwaltungsaktes an den zwischenzeitlich bestellten Vertreter des Klägers gem. § 9 Abs. 1 VwZG geheilt.
Normenkette
VwZG § 15 Abs. 1 Buchst. c, §§ 14, 9 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1; AO 1977 § 122 Abs. 5 S. 2, Abs. 1 S. 3; VwZG § 15 Abs. 1 Buchst. a
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten jetzt noch darüber, ob dem Kläger der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2001 wirksam bekannt gegeben geworden ist.
Der Kläger wurde bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2000 zusammen mit seiner am 3. September 2000 verstorbenen Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Gesamtrechtsnachfolger der Ehefrau wurden die beiden Kinder S und O in Erbengemeinschaft, was dem Beklagten jedoch erst im Jahr 2005 bekannt geworden ist. Nach Aktenlage hatten die Eheleute im Rahmen einer GbR eine steuerpflichtige Vermietung von Büro- und Sozialräumen an die Firma L GmbH (GmbH) betrieben. Außerdem erzielte der Kläger im Jahr 2000 Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen und im Streitjahr 2001 Einkünfte i.S. § 17 EStG aus der Veräußerung seiner Anteile an der GmbH.
Im Anschluss an die Veräußerung seines Vermögens verzog der Kläger noch im Jahr 2001 endgültig nach Spanien. Er meldete sich zu diesem Zweck bei dem für ihn zuständigen Einwohnermeldeamt ordnungsgemäß unter Angabe der Adresse in Q/Spanien ab. Noch im Dezember des Jahres 2001 wechselte der Kläger seinen Wohnsitz erneut und meldete sich zu diesem Zweck bei den spanischen Behörden in N an, wovon der Beklagte jedoch keine Kenntnis erhielt.
Da der Kläger für die Jahre 1999 bis 2000 keine Steuererklärungen für Einkommensteuer und Umsatzsteuer abgegeben hatte, wurden die Besteuerungsgrundlagen mit Bescheiden vom 4. Juni 2002 geschätzt. Zu diesem Zeitpunkt ging der Beklagte noch davon aus, dass der Kläger Gesamtrechtsnachfolger seiner verstorbenen Ehefrau geworden sei. Der Beklagte versandte die Bescheide an die ihm bekannte Anschrift in Q/Spanien”, und zwar adressiert an „Herrn L … als Gesamtrechtsnachfolger für Herrn L und Frau L…” (GA Bl. 54). Die Bescheide kamen jedoch wegen des erneuten Umzugs des Klägers nach N als unzustellbar zurück.
Da der deutschen Meldebehörde nur die Anschrift in Q bekannt war, wandte sich der Beklagte an den Sohn des Klägers, der nach einer damals vorliegenden Veräußerungsanzeige zusammen mit den Klägern als Mitveräußerer eines Grundstücks in Erscheinung getreten war, und bat diesen mit Schreiben vom 28. Mai, 16. Juli und 7. August 2002 um Mitteilung der aktuellen Anschrift des Klägers. Der frühere Steuerberater H des Klägers, der wegen rückständiger Honorarforderungen jedenfalls in den Jahren 2002 bis 2004 nicht mehr für den Kläger tätig war und deshalb unstreitig keine Empfangsvollmacht besaß (GA Bl. 73), teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 2. Juli 2002 ohne Angabe einer genauen Anschrift mit, der Kläger lebe in Spanien. Mit Schreiben vom 20. August 2002 zeigte der Rechtsanwalt (R) gegenüber dem Beklagten an, dass er die Interessen des Sohnes des Klägers vertrete. Nach diversen Telefonaten teilte R mit Schreiben vom 30. August 2002 mit, „unabhängig von der Frage, ob mein Mandant überhaupt die Anschrift des Vaters hat, was ich ausdrücklich offen lassen möchte, ist mein Mandant – auch unterstellt, er hätte tatsächlich eine genaue Anschrift seines Vaters – derzeit unter den gegebenen Umständen nicht bereit, die Anschrift seines Vaters zu benennen.” Darauf wurden die Bescheide für 1999 und 2000 öffentlich zugestellt (Tag des Aushangs: 5. September 2002), ohne dass der Beklagte allerdings zuvor bei der spanischen Meldebehörde in Q versucht hätte, die beim deutschen Einwohnermeldeamt angegebene Anschrift zu überprüfen bzw. die Ummeldung an eine neue Anschrift zu ermitteln.
Da der Kläger auch für das Streitjahr 2001 keine Einkommensteuererklärungen abgab, wurden auch die Besteuerungsgrundlagen für Einkommensteuer 2001 und Umsatzsteuer 2001 mit Bescheiden vom 6. Mai 2003 geschätzt. Auch die Bescheide für 2001 trugen im Adressfeld den maschinellen Aufdruck „Herrn L, …, Q/Spanien als Gesamtrechtsnachfolger für Herrn L und Frau L…” (GA Bl. 54)”. Sie wurden jedoch vom Rechenzentrum nicht an diese Anschrift abgesandt. Der Beklagte fragte beim Einwohnermeldeamt nach, ob diesem zwischenzeitlich eine neue Anschrift des Klägers bekannt geworden sei. Das Einwohnermeldeamt verneinte diese Anfrage am 22. April 2003....