Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzüberschreitende Steuerberatungstätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Wird eine Bestellung zum Steuerberater in Deutschland aus Verbraucherschutzgründen (hier: Vermögensverfall) widerrufen, kann dieser Widerruf nicht durch eine grenzüberschreitende steuerberatende Dienstleistung umgangen werden.
Normenkette
StBerG § 3 Nr. 1, §§ 3a, 46 Abs. 2 Nr. 4; AO § 80 Abs. 5
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Zurückweisung nach § 80 Abs. 5 AO.
Die Bestellung des Klägers als Steuerberater wurde im Jahr 2000 gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG wegen Vermögensverfalls durch das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen widerrufen. Die dagegen erhobene Klage vor dem Finanzgericht Köln blieb ebenso erfolglos wie eine daraufhin eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH-Beschluss vom 1.8.2002 VII B 35/02, BFH/NV 2002, 1499). Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde gemäß §§ 93 a, 93 b Bundesverfassungsgerichtsgesetz nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluss vom 4.12.2002 1 BvR 2046/02, n.v.).
Der Kläger trat im Besteuerungsverfahren des Herrn A gegenüber dem Beklagten als Bevollmächtigter auf und reichte mit Schreiben vom 2.5.2007 als Bevollmächtigter für Herrn A beim FG Köln unter dem Aktenzeichen 15 K 1700/07 eine Sprungklage wegen Einkommensteuer 2004, Gewerbesteuermessbescheid 2004, Umsatzsteuer 2005 und Einkommensteuer 2005 ein. Der Kläger trat dabei unter den Berufsbezeichnungen „Staatl. gepr. Betriebswirt – Belastingadviseur – Belastingconsulent” auf. Als Büroadresse gab er jeweils eine Adresse in B (Niederlande) und in C (Belgien) an. Mit Schreiben vom 8.5.2007 beantragte er beim Beklagten zudem die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der mit der Sprungklage angefochtenen Bescheide. Da der Beklagte der Sprungklage nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift zustimmte, wurde die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf behandelt.
Mit Schreiben vom 23.5.2007 wies der Beklagte den Kläger gemäß § 80 Abs. 5 und 7 AO als Bevollmächtigten zurück, da er weder gemäß § 3 Nr. 1 StBerG noch nach § 3 Nr. 4 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sei und setzte Herrn A hiervon in Kenntnis.
Der Kläger erhob gegen die Zurückweisung zunächst unter dem Aktenzeichen 15 K 2403/07 beim FG Köln am 21.6.2007 Sprungklage, der der Beklagte nicht zustimmte. Da zunächst keine Entscheidung über den Einspruch erging, erhob der Kläger – vertreten durch die D Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Ltd. – beim erkennenden Senat unter dem vorliegenden Aktenzeichen 11 K 922/09 am 19.3.2009 Untätigkeitsklage.
Während des Klageverfahrens hat der Beklagte mit Datum vom 2.4.2009 eine Einspruchsentscheidung erlassen und den Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Für nähere Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Bezug genommen wird (Bl. 73 ff. d. A.).
Die beim erkennenden Senat unter den Aktenzeichen 11 K 993/09 bzw. 11 K 3503/11 am 30.3.2009 erhobenen Klagen wegen Einkommensteuer 2004, Gewerbesteuermessbescheid 2004, Umsatzsteuer 2005 und Einkommensteuer 2005 des Herrn A sind zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossen.
Zur Begründung seiner Klage führte der Kläger zunächst aus, dass die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 80 Abs. 5 AO nicht gegeben seien. Er – der Kläger –sei befugt, seine Dienstleistung auch für in der BRD ansässige Wirtschaftsteilnehmer zu erbringen. Diese Berufsausübungsberechtigung schließe eine Zurückweisung nach § 80 Abs. 5 AO aus. Soweit Bedenken gegen die Berufsausübung bestünden, sei alleine die „zuständige Stelle” im Sinne des § 3a StBerG befugt, die Berufsausübung zu untersagen.
In der Sache gehe es vorliegend um die Frage, ob er – der Kläger – im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) berechtigt sei, seine Dienstleistungen zu erbringen. Bei Bejahung dieser Frage sei der Beklagte nicht zur Zurückweisung nach § 80 Abs. 5 AO berechtigt. Die Dienstleistungsfreiheit sei als eine der Grundfreiheiten genauso auszulegen und anzuwenden, wie die anderen Grundfreiheiten und stelle eine besondere Ausprägung der allgemeinen Freizügigkeit im Sinne des Art. 21 AEUV dar. Die Erbringung einer Dienstleistung sei EU-weit durch die Dienstleistungsfreiheit garantiert. Die Dienstleistungsfreiheit sei gekennzeichnet durch einen Dienstleister, der beruflich in einem anderen Mitgliedsstaat niedergelassen sei, als der Dienstleistungsempfänger. Ein Leistungsaustausch zwischen dem Dienstleister und dem Dienstleistungsempfänger vollziehe sich dabei grundsätzlich in drei Formen:
- Der Dienstleistungsempfänger begibt sich zum Dienstleister, um die Dienstleistung zu empfangen. Diese „passive” Dienstleistungsfreiheit im Sinne der EuGHRechtsprechung sei zweifelsfrei zulässig.
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