Entscheidungsstichwort (Thema)

Klage gegen die Adressatenfolge im ESt-Bescheid von zusammenveranlagten Ehegatten

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Anfechtungsklage, gerichtet gegen die Adressatenfolge im Einkommensteuerbescheid von zusammenveranlagten Ehegatten wegen verfassungswidriger, geschlechterbezogener Diskriminierung der Ehefrau, ist mangels Beschwer unzulässig.

 

Normenkette

GG Art. 2, 3 Abs. 1; FGO § 40 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin durch die Adressatenfolge im Einkommensteuerbescheid 2013 in verfassungswidriger Weise wegen einer geschlechterbezogenen Diskriminierung beschwert ist.

Die Klägerin ist mit dem Beigeladenen verheiratet und wurde im Streitjahr mit diesem zusammen zur Einkommensteuer unter der Steuernummer 1 veranlagt. Der Beigeladene erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb basierten auf einer Beteiligung an einer Personengesellschaft, der Feststellungsbescheid erging unter der Steuernummer 2. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als … und ….

Der in der Einkommensteuerakte enthaltene Ausdruck der Steuererklärung enthält zu den persönlichen Angaben unter der Überschrift „Stpfl. A” die Angaben des Beigeladenen und unter der Überschrift „Stpfl. B” die Angaben der Klägerin. Der Ausdruck datiert vom 05.12.2019. Ausweislich der „Erklärungsinformationen” ist die Steuererklärung am 31.03.2015 beim Beklagten eingegangen. Der von der Klägerin vorgelegte Ausdruck der ersten Seite der elektronisch übersandten Steuererklärung enthält unter der Überschrift „Allgemeine Angaben – steuerpflichtige Person, nur bei Zusammenveranlagung: Ehemann/Lebenspartner(in) A” die Angaben des Beigeladenen und darunter unter der Überschrift „nur bei Zusammenveranlagung: Ehefrau/Lebenspartner(in) B” die Angaben der Klägerin.

Mit Bescheid vom 04.12.2015 veranlagte der Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zur Einkommensteuer. Im Adressfeld wird der Beigeladene an erster und die Klägerin an zweiter Stelle genannt. Im Rahmen der Berechnung des zu versteuernden Einkommens werden in einer linken Spalte die Werte des Beigeladenen unter der Überschrift „Ehemann” und in einer rechten Spalte die Werte der Klägerin unter der Überschrift „Ehefrau” dargestellt.

Gegen den Bescheid wandten sich die Eheleute mit Einspruch vom 30.11.2015 im Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie Aufwendungen zu Versorgungswerken. Darüber hinaus führten sie aus, dass der Bescheid die Klägerin diskriminiere, da die im Bescheid verwendete Reihenfolge zuerst den Ehemann und dann die Ehefrau benenne. Andere Gründe als die Auswahl der Reihenfolge nach dem Geschlecht seien nicht erkennbar. Eine wie bei eingetragenen Lebenspartnerschaften mögliche Benennung nach dem Alphabet würde dazu führen, dass die Klägerin an erster Stelle zu nennen wäre. Durch die vorgegebene Reihenfolge müsse sich die Klägerin an zweiter Stelle einreihen. Dies sei mit einer Wertung verbunden, wonach der erstgenannten Person eine höhere Wichtigkeit zugesprochen werde. Dies habe nicht nur formale Folgen, sondern auch praktische. So sortierten zahlreiche privat angebotene Steuerprogramme die Steuerpflichtigen nach der erstgenannten Person, bei Eheleuten also stets nach dem Ehemann. Hierdurch würden die Ehefrauen „unsichtbar gemacht”.

Der Beklagte könne sich nicht auf verfahrensrechtliche Gründe im Hinblick auf die Reihenfolge zurückziehen. Soweit verfahrensrechtliche Gründe eine Reihenfolge notwendig machten, müsse die Reihenfolge sachlich gerechtfertigt sein. Eine solche Reihenfolge dürfe nicht am Geschlecht orientiert werden.

Der Beklagte verwarf den Einspruch mit Bescheid vom 26.03.2019 als unzulässig.

Im Streitfall fehle die für die Zulässigkeit erforderliche Beschwer. Weder der Einkommensteuerbescheid 2013 noch die Speicherung der Personalien der Klägerin und des Beigeladenen ließen eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Geschlechter erkennen. Es fehle an der für eine Grundrechtsverletzung erforderlichen geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung. Andernfalls ergebe sich ein unauflösbarer Widerspruch. Je nachdem welchen der beiden Ehegatten die Behörde in einem Zusammenveranlagungsbescheid an erster Stelle nenne, würde dies automatisch zu einer vermeintlichen Herabsetzung des jeweils an zweiter Stelle erwähnten Ehegatten führen. Es sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei der durch die DA-ADV geregelten Speicherungsverarbeitung der Grundinformationsdaten ausschließlich um ein wertungsfreies Ordnungssystem handele, mit dem keinerlei diskriminierende oder sonst benachteiligende Wirkungen verbunden seien. Bei einer Zusammenveranlagung schuldeten beide Ehegatten die Steuer als Gesamtschuldner, sodass jedem Ehegatten ein Steuerbescheid zu erteilen sei. Diese Bescheide würden gemäß § 155 Abs. 3 AO zusammengefasst und in einer Ausfertigung an die gemeinsame Anschrift übermittelt. Dieser rechtliche Hintergrund zeige, dass mit der Zusammenvera...

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