Entscheidungsstichwort (Thema)
Untätigkeitsklage nach Untätigkeitseinspruch und Beteiligungszurechnung bei Mehrmütterorganschaft
Leitsatz (redaktionell)
1) Im Fall doppelter Untätigkeit, d.h. der Untätigkeit sowohl im Festsetzungs- oder Feststellungsverfahren als auch im nachfolgenden Untätigkeitseinspruchsverfahren, erledigt der Abschluß des Einspruchsverfahrens durch einen während des Untätigkeitsklageverfahrens ergehenden ablehnenden Bescheid die Untätigkeitsklage nicht; diese bleibt als Verpflichtungs-Untätigkeitsklage auf Erlaß des begehrten Verwaltungsakts weiter zulässig.
2) Im Falle der Mehrmütterorganschaft sind die Beteiligungen der lediglich zur einheitlichen Willensbildung in einer GbR zusammengeschlossenen Gesellschaften an der nachgeschalteten Organgesellschaft unmittelbar den Muttergesellschaften zuzurechnen; die Organschaft besteht zu den Muttergesellschaften und nicht zur GbR.
3) Eine gesonderte Feststellung ist nach § 181 Abs. 5 AO bereits dann zulässig, wenn im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Festsetzungsfrist für die relevante Steuerfestsetzung noch nicht abgelaufen ist.
4) Der Vertrauensschutz steht einem Feststellungsbescheid nur dann entgegen, wenn im Feststellungsverfahren bereits feststeht, daß § 176 AO einer Folgeänderung entgegensteht.
Normenkette
AO 1977 § 181 Abs. 5, § 176; FGO § 46 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte auf der Grundlage der mit zwei Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Juni 1999 (I R 43/97, BStBl II 2000, 695 und I R 37/98, BFH/NV 2000, 347) erfolgten Rechtsprechungsänderung des BFH zur Mehrmütterorganschaft für die Erhebungsjahre 1990 – 1999 gesonderte und einheitliche Feststellungen der Gewerbeerträge bzw. -verluste und des Gewerbekapitals der EC durchzuführen und der Klägerin ihrem Gesellschaftsanteil entsprechende Anteile zuzurechnen hat.
Die Klägerin war in den streitgegenständlichen Erhebungsjahren 1990 – 1999 als Gesellschafterin neben der A.-AG an einem Joint-Venture-Unternehmen, der EC mit Sitz in K., unmittelbar zu 50 v.H. beteiligt.
Die Klägerin schloß sich im Jahre 1957 zum Zwecke der Ausübung einer einheitlichen Leitungsmacht bei der EC mit der A.-AG zu einem Konsortium in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts – GbR – (im folgenden Konsortium EC GbR) zusammen. Weitere Zwecke verfolgte der Zusammenschluß nicht. Seit dem Jahre 1960 bestand zwischen der EC und den in der Konsortium EC GbR zusammengeschlossenen Gesellschaftern ein Gewinnabführungsvertrag, der die EC verpflichtete, ihren Gewinn an die in der Konsortium EC GbR vereinten Gesellschafter abzuführen. Die Verträge wurden von der A.-AG zum 31. Dezember 2000 gekündigt.
Der Beklagte behandelte die Gestaltung entsprechend den in Abschnitt 14 Abs. 6 der Gewerbesteuerrichtlinien 1998 (GewStR 1998) niedergelegten Verwaltungsgrundsätzen als Mehrmütterorganschaft mit der Folge, daß die Gewerbeerträge bzw. -verluste sowie die Gewerbekapitalien der EC (Organgesellschaft) gewerbesteuerlich bei der Konsortium EC GbR (Organträger) berücksichtigt wurden. Wegen der Höhe der von dem Beklagten berücksichtigten Gewerbeerträge bzw. -verluste und Gewerbekapitalien der EC wird auf die Erhebungsbögen der Finanzverwaltung und die hierauf basierenden Steuermeßbescheide der GbR Bezug genommen. Diese Behandlung der Mehrmütterorganschaft durch den Beklagtenen entsprach auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor Ergehen der bereits eingangs erwähnten BFH-Urteile vom 9. Juni 1999.
In diesen Urteilen (vom 9. Juni 1999) hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung im Bereich der gewerbesteuerlichen Mehrmütterorganschaft geändert und entschieden, daß die Beteiligungen der lediglich zur einheitlichen Willensbildung in einer GbR zusammengeschlossenen Gesellschaften an der nachgeschalteten Organgesellschaft unmittelbar den Muttergesellschaften zuzurechnen sind. Hierzu hat er weiter entschieden, daß somit den Muttergesellschaften in entsprechender Anwendung des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) die jeweiligen Gewerbeerträge bzw. -verluste und die jeweiligen Gewerbekapitalien direkt zuzurechnen sind. Der BFH hat damit seine eigene frühere Rechtsprechung und die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung (vgl. Abschnitt 52 Abs. 6 der Körperschaftsteuerrichtlinien 1995 – KStR 1995 –, Abschnitt 14 Abs. 6 GewStR 1998) abgelehnt, wonach eine organschaftliche Einbindung der Untergesellschaft in die zwischengeschaltete GbR angenommen wurde.
Mit Feststellungserklärungen vom 24. März 2000 (Eingang beim Beklagten am 30. März 2000) beantragte die Klägerin auf der Grundlage der neuen BFH-Rechtsprechung für die Erhebungsjahre 1990 – 1998 die gesonderte und einheitliche Feststellung der Gewerbeerträge bzw. – verluste und (für 1990 – 1997) des Gewerbekapitals der EC und die anteilige Zurechnung an sie. Mit Schreiben vo...