Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsaufgabe bei Betriebsverpachtung im Ganzen
Leitsatz (redaktionell)
Werden wesentliche Betriebsgrundlagen eines im Ganzen verpachteten Betriebs so umgestaltet, daß sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden können, führt die Umgestaltung auch ohne aus-drückliche Erklärung des Betriebsinhabers zur Betriebsaufgabe. Eine solche wesentliche Umgestal-tung tritt bei einem bisher familiengeführten Gasthof in ländlicher Umgebung ein, wenn der Gasthof einem Pächter mit der Erlaubnis überlassen wird, den Betrieb als Nachtbar mit Bordell zu betreiben.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist, ob die Klägerin bei der Veräußerung eines verpachteten Gaststättengrundstücks im Streitjahr 1994 einen gewerblichen Gewinn erzielt hat oder ob das Grundstück schon im Jahre 1985 durch Betriebsaufgabe Privatvermögen geworden war.
Die in 1932 geborene Klägerin ist seit 1985 verwitwet. Sie hatte bis zum 30.3.1963 auf dem ihr gehörenden, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von der Mutter übernommenen Grundstück in … eine Landgaststätte mit Hotel betrieben (genannt Hotel …). An die Gaststätte angeschlossen war u. a. ein Saal mit Bühne. Weiter waren vorhanden die eigentliche Gaststube nebst einem Gesellschaftszimmer, eine Kegelbahn, eine Küche mit Kühlraum und Anrichte sowie sanitäre Anlagen. Im Obergeschoß befanden sich die Hotelzimmer.
Seit dem 1.4.1963 wurden Gaststätte und Hotel verpachtet, zunächst an eine Brauerei mit dem Recht zur Unterverpachtung, ab 1983 an die Pächter/Betreiber unmittelbar. In den entsprechenden Pachtverträgen aus Dezember 1983 sowie April und Mai 1985 heißt es, die Pächter seien verpflichtet, den Pachtbetrieb in „gutbürgerlicher Weise” zu führen; die Klägerin als Verpächterin habe das Recht zur fristlosen Kündigung, wenn die Pächter u. a. im Pachtobjekt „anstößigen Verkehr dulden” (vgl. Anlagenkonvolut zum Schreiben der Klägerin vom 20.12.1999, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung am 21.12.1999, Pachtverträge mit Ehel. …, … und Ehel. …).
Am 23. September 1985 kam es dann allerdings zu dem hier strittigen Pachtvertrag der Klägerin mit den Pächtern …, … und … (s. Bl. 5-12 d.A.). Darin wurde das Objekt zum Betrieb eines Hotels mit Restaurant und Nachtbar überlassen. Das Inventar wurde mitverpachtet. Außerdem verpflichtete sich die Klägerin, den Pächtern die Genehmigung zu einem Umbau zu erteilen, der für den Betrieb in der vorgesehenen Art und Weise behördlich erforderlich und notwendig sei. Bei einem eventuellen Auszug der Pächter müsse jedoch der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt werden. Ferner wurde ein Rücktrittsrecht der Pächter vom Vertrag für den Fall vereinbart, daß die erforderlichen behördlichen Genehmigungen für die Betreibung des Gewerbes in der „geplanten Art und Weise”, insbesondere für die Verkürzung der Sperrzeit auf 4 Uhr morgens nicht erteilt würden. Die Pachtdauer wurde zunächst auf zwei Jahre vereinbart, dann jedoch mit Vereinbarung vom 2.4.1986 bis zum 30.9.1990 verlängert. Geschäftsgrundlage war auch, daß die Pächter nach Ablauf des Pachtvertrages das Pachtobjekt käuflich erwerben konnten. Der Kaufpreis wurde mit 600.000,– DM vereinbart. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Pachtvertrag vom 23.9.1985, Bl. 5-13 d.A., Bezug genommen.
In der Folgezeit wurde durch die Pächter der vorhandene Saal durch den Einzug von Trennwänden umgestaltet, und zwar zunächst aufgrund Baugenehmigung vom 10.12.1985 (s. Bl. 14 und 16 d.A.), bzw. später aufgrund Baugenehmigung vom 25.11.1986. Dadurch entstanden im vorderen Teil des Saales eine Bar sowie im hinteren Teil drei Separées, die jeweils mit Duschen ausgestattet wurden. Außerdem wurde ein zusätzliches WC eingebaut (s. Bl. 15 und 17 d.A.). Der übrige Teil des Grundstücks, insbesondere Gaststätte, Gesellschaftszimmer, Kegelbahn und Küche, blieb nach den vorliegenden Bauzeichnungen unverändert. Die Pächter nutzten das Objekt in der Folgezeit als bordellartigen Barbetrieb.
Im Jahre 1992 entstand Streit über die Verlängerung des Pachtvertrages. Die Klägerin verlangte zunächst Erstattung der von ihr getragenen Aufwendungen für Kanal, Wasser, Müllabfuhr und Versicherungsbeiträgen. Gleichzeitig wurde den Pächtern das Objekt nochmals zum Kauf angeboten für 450.000,– DM zuzüglich Erstattung der zwischenzeitlich entstandenen Kanalanschlußkosten (s. Schreiben der Rechtsanwälte … vom 26.2.1992, vorgelegt von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung als Anlage zum Schreiben vom 20.12.1999 -Anlagenkonvolut-). Schließlich kündigte sie den Pachtvertrag mit Schreiben vom 21.5.1992 zum 31.8.1992 und erreichte in einem Vergleich vor dem Amtsgericht … die Räumung des Objekts zum 31.12.1993, s. Protokoll des AG … in Sachen … -Anlagenkonvolut-). Zwischenzeitlich war das Grundstück unter Zwangsverwaltung gestellt worden. Schließlich veräußerte die Klägerin das Grundstück mit not. beurkundetem Vertrag vom 28.12.1993 zu einem Kaufpreis von 500.000,– D...