Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 12 Nr. 5 EStG verfassungsgemäß; Anwendung des § 12 Nr. 5 EStG bei parallelen Ausbildungen
Leitsatz (redaktionell)
1) Die durch das Beitreibungsrichlinie-Umsetzungsgesetz vom 7.12.2011 in § 12 Nr. 5 EStG eingeführte und bereits ab VZ 2004 anzuwendende Vorschrift ist verfassungsgemäß und verstößt weder gegen das Rückwirkungsverbot noch gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und das daraus abgeleitete objektive Nettoprinzip.
2) Aufwendungen einer Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer sind als erstmalige Berufsausbildungskosten gemäß § 12 Nr. 5 EStG dann nicht als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar, wenn der Steuerpflichtige die Ausbildung bereits vor Abschluss seines Studiums der BWL mit dem Schwerpunkt Verkehrswissenschaft - mithin parallel - absolviert.
3) Für die Abgrenzung zwischen erster Berufsausbildung bzw. Erststudium und zweiter Berufsausbildung im Rahmen des § 12 Nr. 5 EStG kommt es entscheidend auf den berufsqualifizierenden Abschluss der ersten Berufsausbildung bzw. des Erststudiums an.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 5, § 52 Abs. 23d, 30a; GG Art. 20, 3; EStG § 9 Abs. 6
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufwendungen des Klägers für die Ausbildungen zum Verkehrsflugzeugführer (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit darstellen.
Der in den Streitjahren ledige Kläger absolvierte seit 2001 an der Universität A ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Verkehrswissenschaften. In der Zeit vom 15.02. bis 26.06.2006 studierte er an der B in C (Bl. 108 d. FG-Akte). Nachdem er alle Prüfungen erbracht hatte, flog er bereits am 22.04.2006 von C nach A zurück (Bl. 41 und 211 d. FG-Akten). Das Thema seiner Diplomarbeit „…” wurde am 13.08.2007 von der Universität A an den Kläger ausgegeben und von ihm am 10.09.2007 im Prüfungsamt eingereicht. Am 13.11.2007 bewertete Herr D die Arbeit mit der Note „gut”, so dass der Kläger die Diplomprüfung am gleichen Tag mit der Gesamtnote „befriedigend” abschloss (s. ESt-Akte des Bekl. unter Fach „2006”). Die letzte Prüfungsleistung wurde laut Prüfungsamt damit am 10.09.2007 durch Einreichung der Diplomarbeit erbracht (s. Schreiben der Universität A vom 02.05.2012).
Bereits mit Datum vom 03.03.2006 schloss der Kläger mit der E GmbH (kurz: E) nach erfolgreich durchlaufendem Auswahlverfahren eine Vereinbarung über eine etwa 18monatige Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer ab. Die in drei Vollzeit-Semestern eingeteilte Schulung an der Flugschule T begann am 24.04.2006 (s. Schulbescheinigung vom 25.03.2010, Bl. 63 d. FG-Akten). Die Kosten der Schulung hatte der Kläger selbst zu tragen. Unter der Voraussetzung, dass der Kläger die Schulung erfolgreich absolvieren würde, bot E ihm eine weiterführenden Schulungsvertrag zum Erwerb der Musterberechtigung auf einem bei E geflogenen Flugzeugmuster an, soweit bei E ein entsprechender Bedarf an Copiloten bestehe (§ 3 der Vereinbarung). Darüber hinaus offerierte E dem Kläger einen Cockpitarbeitsplatz, falls entsprechender Personalbedarf bestehen würde (§ 4 der Vereinbarung). Nach Abschluss der Ausbildung ist der Kläger seit September 2007 bei der E als Verkehrsflugzeugführer beschäftigt. In der Zeit vom 9. bis 14.09.2007 hielt sich der Kläger in G beim sog. „Type Rating” auf.
In seiner Einkommensteuererklärung für 2006 beantragte der Kläger Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt 20.246,00 EUR – die zwischen den Beteiligten unstreitig sind –, ohne entsprechende Einnahmen erzielt zu haben, und bat mit Schreiben vom 13.08.2007 um Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags. Daraufhin lehnte der Beklagte die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer 2006 mit Bescheid vom 28.12.2007 ab und setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom gleichem Tag auf 0 EUR fest. Dabei erkannte er bei den Sonderausgaben 4.000 EUR als Berufsausbildungskosten an.
Mit Schreiben vom 12.08.2008 beantragte der Kläger die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2007 und reichte die Einkommensteuererklärung für 2007 ein. Dort machte er als Werbungskosten Aufwendungen in Höhe von insgesamt 31.594,00 EUR geltend. Darin enthalten waren – der Höhe nach unstreitige – Berufsausbildungskosten von 28.584,00 EUR. Der Beklagte erkannte im Einkommensteuerbescheid vom 25.09.2008 Werbungskosten in Höhe von 2.821 EUR an und berücksichtigte die Berufsausbildungskosten – wie im Vorjahr – in Höhe von 4.000 EUR als Sonderausgaben. In den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid hieß es dazu: „Die Fortbildungskosten stellen Sonderausgaben dar. Auf das laufende Rechtsbehelfsverfahren des Jahres 2006 wird verwiesen.” Die festgesetzte Einkommensteuer 2007 belief sich danach auf 537,00 EUR.
Gegen den Ablehnungsbescheid der Verlustfeststellung auf den 31.12.2006 und gegen den Einkommensteuerbescheid 2007...