Entscheidungsstichwort (Thema)
Substanztest im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG bei Outsourcing innerhalb eines Konzerns
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Gesellschaft ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG nicht Zwischengesellschaft für solche Einkünfte, hinsichtlich derer nachgewiesen wird, dass die Gesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht.
2. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV bestehen nachprüfbare Anhaltspunkte dafür, dass eine ausländische Gesellschaft tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat (hier: den Niederlanden) angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht, wenn die Gesellschaft über Personal (hier: zwei Geschäftsführer) verfügt, diese Personen in ihrem Namen und auf ihre Rechnung am ausländischen Markt tätig werden, selbst wenn diese Personen zugleich Organe einer anderen Konzerngesellschaft sind, kein gesondertes Entgelt beziehen und sich deren Tätigkeit an den Interessen der übrigen Konzerngesellschaften ausrichtet.
3. Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG folgt nicht, dass die geforderte wirtschaftliche Tätigkeit ausschließlich von eigenem Personal verwirklicht werden könnte.
Normenkette
AStG § 8 Abs. 1, 1 Nr. 6 lit. a), Abs. 2 S. 1, § 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 18 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von an die Klägerin als Feststellungsbeteiligte gerichteten Bescheiden über die Hinzurechnung von Gewinnen der Y3 B.V.
Die Klägerin ist vermittelt über jeweils 100 %-ige Beteiligungen mittelbar an der Y1 B.V. (3. Stufe) einerseits und an der Y3 B.V. (5. Stufe) andererseits beteiligt.
Die Y1 B.V. hat weit über … Mitarbeiter, die das Programm für mehrere Fernsehsender von Y in den Niederlanden verantworten.
Die Y3 B.V. erwirbt zum einen Rechte an Filmen von dritter Seite; zum anderen beteiligte sie sich finanziell an Filmproduktionen niederländischer Firmen und erhält im Gegenzug Lizenzen. Die Fernsehrechte gibt die Y3 B.V. zum Selbstkostenpreis an die niederländische Betriebsstätte der X (Luxemburg) weiter, die für die Y1 B.V. als Sendeanstalt fungiert. Die mit den Filmrechten verbundenen Nebenrechte, namentlich Kino-, DVD- und Video-on-Demand-Rechte vermarktete die Y3 B.V. an niederländische Filmvertriebe, unter anderem auch dem Geschäftsbetrieb der Y1 B.V. Aus haftungsrechtlichen Gründen wurde dieses Geschäft von der Y1 B.V. auf die Y3 B.V. übertragen. Eigenes Personal beschäftigte die Y3 B.V. mit Ausnahme ihrer beiden Geschäftsführer nicht. Die Geschäftsführer übernahmen diese Aufgabe im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung als CEO bzw. CFO der Y1 B.V., ohne hierfür von der Y3 B.V. ein gesondertes Entgelt zu erhalten. Die für den Erwerb und die Vermarktung der Rechte erforderlichen Sach- und Personalmittel wurden der Y3 B.V. durch die Y1 B.V. gestellt.
Unstreitig erzielte die Y3 B.V. folgende Gewinne:
Wirtschaftsjahr |
2011 |
2012 |
2013 |
Einnahmen vor Steuern |
… € |
… € |
./. … € |
Anteilige niederländische Steuern |
./. … € |
./. … € |
… € |
Gewinn |
… € |
… € |
./. … € |
Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung A führte für die streitgegenständlichen Feststellungsjahre bei der Klägerin eine Außenprüfung bezüglich der steuerlichen Verhältnisse der Y3 B.V. durch. In ihrem Prüfungsbericht kam die Betriebsprüfung zu dem Ergebnis, dass die Klägerin aus ihrer (mittelbaren) Beteiligung an der Y3 B.V. steuerpflichtige Zwischeneinkünfte i. S. d. §§ 7 – 12 AStG beziehe. Die Zwischeneinkünfte der Y3 B.V. seien nach § 18 AStG gesondert festzustellen; die gesonderte Feststellung habe für alle Gesellschaften innerhalb der Beteiligungskette zu erfolgen.
Am 25.01.2018 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin als Feststellungsbeteiligte Bescheide über die Hinzurechnung von Gewinnen der Y3 B.V. als Feststellungsbeteiligte auf fünfter Stufe sowie über die Hinzurechnung derselben Gewinne hinsichtlich der Y1 B.V. Dabei wurden der Klägerin die vorgenannten Gewinne als Einkünfte zugerechnet.
Nach erfolglosen und durch Einspruchsentscheidungen vom 27.09.2018 entschiedenen Einspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie weiterhin begehrt, dass eine Einkünftehinzurechnung nicht erfolgt.
Die Klägerin meint, die Y3 B.V. sei keine Zwischengesellschaft für Einkünfte i. S. d. §§ 14, 8 Abs. 1 AStG. Bereits auf dieser Ebene sei der Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in den Niederlanden i. S. d. § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG gelungen.
Zwar könne der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG auch dahingehend ausgelegt werden, dass allein eigene Personal- und Sachmittel der Y3 B.V. Berücksichtigung finden könnten (sog. Stand-alone-Betrachtung). Allerdings sei § 8 Abs. 2 AStG durch das Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.2007 (BStBl. I 2008, 218) zur Wahrung der Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV und in Umsetzung der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Cadbury-Schweppes (C-196/04) eingefügt worden. In diesem Lichte sei die Vorschrift auszulegen. Insofern sei zu berücksichtigen...