Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung einer im EU-Ausland niedergelassenen Steuerberatungsgesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine Kapitalgesellschaft britischen Rechts mit einer Niederlassung in den Niederlanden, die weder einen Nachweis über ihre Berufsqualifikation noch einen Nachweis darüber vorlegt, dass sie ihren Beruf im Staat der Niederlassung mindestens ein Jahr ausgeübt hat, noch in das elektronische Verzeichnis nach § 3b Abs. 1 StBerG eingetragen ist, ist nach nationalem Recht nicht zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt.
2) In solchen Fällen ergibt sich eine Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung auch nicht aus der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56, 57 AEUV).
Normenkette
AO § 80 Abs. 7; StBerG §§ 2, 3 Nr. 3, § 3b; AEUV Art. 56-57; StBerG § 3a
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 08.05.2019; Aktenzeichen II B 12/19) |
BFH (Aktenzeichen II B 12/19) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung eines Bevollmächtigten.
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft britischen Rechts mit einer Niederlassung in A in den Niederlanden (NL). Gesellschafter und Geschäftsführer „Director”) sind Herr B und Frau C. Herr B war in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) als Steuerberater bestellt gewesen. Seine Bestellung hat das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen im Jahr 2000 wegen Vermögensverfalls bestandskräftig widerrufen (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 Steuerberatungsgesetz – StBerG). Der Widerruf ist seit dem Jahr 2002 rechtskräftig. Frau C gehört nicht zu dem Personenkreis des § 3 Nr. 1 StBerG. Nach Auskunft der Steuerberaterkammer F vom 17.10.2018 sowie vom 13.11.2018 ist die Klägerin nicht in das Berufsregister nach § 3b StBerG eingetragen. Sie ist auch nicht als Steuerberatungsgesellschaft nach § 32 Abs. 3, §§ 49 ff. StBerG anerkannt. Gegenstand der geschäftlichen Tätigkeit der Klägerin ist Wirtschafts- und Steuerberatung und das Rechnungswesen. Mit diesem Firmenzweck ist sie in das niederländische Handelsregister eingetragen.
Mit Schreiben vom 15.8.2017 legte die Klägerin Einspruch für die D Ltd. (nachfolgend Vollmachtgeberin) u.a. gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2015 ein.
Unter dem 23.8.2017 übersandte der Beklagte der Klägerin ein mit dem Betreff „Zurückweisung wegen unbefugter Hilfeleistung in den Steuersachen der D Ltd.” überschriebenes Schreiben. Darin heißt es, die Klägerin habe „geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet (Einspruch gegen Steuerfestsetzung und Stundungsantrag) ohne dazu befugt zu sein [§ 5 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG)].” Die Klägerin werde gemäß § 80 Abs. 7 der Abgabenordnung (AO) als Bevollmächtigte in den Steuersachen ihrer Vollmachtgeberin mit Wirkung für alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren der Vollmachtgeberin im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts E zurückgewiesen. Verfahrenshandlungen, die die Klägerin trotz dieser Zurückweisung für die Vollmachtgeberin vornehme, seien unwirksam (§ 80 Abs. 10 AO). Der Vollmachtgeberin werde diese Zurückweisung ebenfalls bekanntgegeben (§ 80 Abs. 7 S. 2 AO).
Gegen die Zurückweisung wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch vom 25.8.2017, in dem sie zugleich Aussetzung der Vollziehung beantragte. Zur Begründung trug sie vor: Der angefochtene Verwaltungsakt sei rechtswidrig, er verstoße gegen vorrangiges Gemeinschaftsrecht. Mit Urteil vom 17.12.2015, C-342/17, habe der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) festgestellt, dass die „X-Steuerberatungsgesellschaft” befugt sei, ihre Dienstleistungen EU-weit zu erbringen, und zwar in dem Umfang, in dem sie an ihrem Sitz in A in den Niederlanden berechtigt und befugt sei. Nationale Bestimmungen, konkret deutsche, dürften dieses Recht nicht beeinträchtigen. Die in dem Urteil so bezeichnete „X-Steuerberatungsgesellschaft” sei tatsächlich die Klägerin. Im Hinblick auf den sog. Solange-II-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22.10.1986 entfalte dieses Urteil unbedingte Bindungswirkung. Dementsprechend habe der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 19.10.2016, II R 44/12, bestätigt, dass die Klägerin im Umfang ihrer Berechtigung in A (NL) berechtigt sei, EU-weit, also auch für Wirtschaftsteilnehmer in Deutschland, Dienstleistungen zu erbringen. Bestimmungen, die dieses Recht beschränkten, seien wirkungslos. Hinsichtlich der weiteren umfangreichen Ausführungen wird an dieser Stelle auf die „Stellungnahme zum Urteil des EuGH vom 17.12.2015” sowie die „Dokumentation zu G-B-Fällen” verwiesen.
Mit Schreiben vom 21.09.2017 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass Aussetzung der Vollziehung nicht gewährt werden könne, weil derzeit keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung bestehen würden. Im vorliegenden Fall sei § 3a StBerG in der Fassung vom 23.06.2017 anzuwenden. Ungeachtet der Frage, ob die Klägerin sich zum Erbringen der Hilfeleistung in Steuersachen körperlich in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (BRD) begeben habe, liege ein Fall des § 3a StBerG vor. Denn danac...