Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Einspruchserhebung gegen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid außerhalb der Monatsfrist wegen unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung
Leitsatz (redaktionell)
Eine im Streitfall inhaltlich überfrachtete Rechtsbehelfsbelehrung, die darüber hinaus den Eindruck erweckt, neben dem fristgebundenen Einspruch bestünde eine weitere Möglichkeit, ohne eine Fristbindung bei der Familienkasse zu remonstrieren oder sich an das regionale Forderungsmanagement zu wenden, setzt die Einspruchsfrist nicht wirksam in Gang. Der Einspruch bleibt innerhalb eines Jahres zulässig.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1 Nr. 1; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b; AO § 355 Abs. 1, § 356 Abs. 1; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist der Kindergeldanspruch für das Kind A, geboren am 23.12.1989, insbesondere die Frage, ob der Beklagte zu Recht mit seiner Einspruchsentscheidung vom 21.11.2012 den Einspruch des Klägers gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 26.9.2012 als unzulässig, weil verfristet, verworfen hat.
A beendete im Juni 2008 seine Schulausbildung und leistete von Oktober 2008 bis Juni 2009 Zivildienst. Dies wurde dem Beklagten bekannt durch eine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen vom 04.04.2011. Da im Wege der Erörterung keine Nachweise über Eigenbemühungen um einen Ausbildungsplatz eingereicht wurden, hob der Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2012 die Festsetzung des Kindergeldes ab August 2008 auf und forderte Kindergeld von August 2008 bis Oktober 2011 sowie einen Kinderbonus von 100,– EUR im April 2009 in Höhe von insgesamt 6.886,– EUR zurück.
Der Bescheid vom 26.09.2012 enthielt den Vermerk des Sachbearbeiters „abgesandt am: 27.9.2012” und war mit folgender Rechtsbehelfsbelehrung versehen:
„Rechtsbehelfsbelehrung:
Dieser Bescheid kann mit dem Einspruch angefochten werden. Ein Einspruch ist jedoch ausgeschlossen, soweit dieser Bescheid einen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt, gegen den ein zulässiger Einspruch oder (nach einem zulässigen Einspruch) eine zulässige Klage, Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde anhängig ist. In diesem Fall wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens. Der Einspruch ist bei der vorbezeichneten Familienkasse schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Die Frist für die Einlegung eines Einspruchs beträgt einen Monat. Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem Ihnen der Bescheid bekannt gegeben worden ist. Bei Zusendung durch einfachen Brief oder Zustellung mittels Einschreiben durch Übergabe gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post bzw. bei Übermittlung im Ausland einen Monat nach Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass der Bescheid zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Bei Zustellung durch Zustellungsurkunde oder durch Einschreiben mit Rückschein oder gegen Empfangsbekenntnis ist Tag der Bekanntgabe der Tag der Zustellung.
Auch wenn Sie Einspruch einlegen, müssen Sie den Erstattungsbetrag bis zum oben genannten Fälligkeitstermin begleichen.
Hinweise:
Wenn Sie mit der oben aufgeführten Forderung grundsätzlich nicht einverstanden sind, werden Sie sich bitte an Ihre zuständige Familienkasse.
Bei Fragen zur Rückzahlung werden Sie sich bitte unverzüglich an das Regionale Forderungsmanagement:
Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen
Forderungsmanagement
Görresstr. 15
45657 Recklinghausen
Tel. 0180 1003090
E-Mail: Nordrhein-Westfalen.Inkasso@arbeitsagentur.de
Bitte geben Sie in Schreiben an das Regionale Forderungsmanagement immer den Verwendungszweck an.”
Mit Schreiben vom 08.11.2012, eingegangen bei der Beklagten am 09.11.2012, legte der Kläger Einspruch ein, verbunden mit dem Hinweis, dass er die Einspruchsfrist auf Grund besonderer privater und beruflicher Stresssituationen, die er im Einzelnen erläuterte, nicht habe einhalten können, die erforderlichen Unterlagen aber in Kürze nachreichen werde (auf Blatt 27 d. Kindergeldakte wird verwiesen). Ohne weitere Erörterung verwarf der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21.11.2012 als unzulässig, weil verfristet. Die vom Kläger vorgetragenen Gründe für das Versäumen der Einspruchsfrist rechtfertigten keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Bescheid habe eine vollständige und verständliche Belehrung über Form und Frist des Einspruchs enthalten. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Frist eingehalten werden können.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage.
Er habe bereits in seinem Einspruchsschreiben Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist beantragt. Er sei vor Ergehen der Einspruchsentscheidung nicht darauf aufmerksam gemacht worden, dass er Gründe für die Wiedereinsetzung konkret darzulegen und zu belegen habe. Zu den Voraussetzungen des § 110 AO sei ihm daher kein qualifiziertes rechtliches Gehör gewährt worden. Bereits in seiner Stellungnahme zur Anhörung vom 23.03.2012 habe er mitgeteilt, dass sein Sohn in der Zwischenzeit verschiedene Praktika ausgeübt ha...