rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung bei versäumter Antragsfrist auf Einkommensteuerveranlagung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die unterschiedlichen Fristen für die Abgabe der Einkommensteuererklärung einerseits und für die Antragsveranlagung andererseits sind verfassungsgemäß.

2) Bei einem "Berufsjuristen" kann nicht von vornherein unterstellt werden, daß er steuerliche Vorschriften betreffend materielles und formelles Recht kennt bzw. sich entsprechend zu informieren hat.

3) Entgegen der Anleitung zur Einkommensteuererklärung 1996 (insb. Seite 2 links oben, 3. Absatz) ist kein strenger Maßstab anzulegen bei der Prüfung der Frage, ob der Steuerpflichtige die Antragsfrist unverschuldet versäumt hat.

4) Ein unverschuldeter Rechtsirrtum über eine Ausschlußfrist ist, anders als ein Irrtum über das Wesen einer Ausschlußfrist oder über materielles Recht, einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich.

 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 2, 2 Nr. 8; AO 1977 § 110

 

Tatbestand

Unter den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte dem Kläger für die Durchführung einer sogenannten Antragsveranlagung zur Einkommensteuer wegen Versäumung der Ausschlußfrist gem. § 42 Absatz 2 Nr. 8 Satz 2 EStG 1996 für das Streitjahr 1996 zu Recht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt hat.

Der im Jahre 19.. geborene, ledige Kläger ist Volljurist und war als Beamter … beschäftigt. Bis zum April des Streitjahres war er im Bereich „…” tätig, seitdem im Bereich „…”. In den Veranlagungsjahren 1992 bis 1994, in denen der Kläger auch schon als Beamter … tätig war und für die er seine Einkommensteuererklärungen selbst fertigte, reichte er nach schriftlichen Anträgen betr. Verlängerung der allgemeinen Abgabefrist jeweils zum 31.5. des Folgejahres die Einkommensteuererklärungen stets erst mehrere Monate nach der jeweils gewährten Verlängerung der Abgabefrist ein, ohne daß deshalb z.B. Schätzungsbescheide ergingen oder Verspätungszuschläge festgesetzt wurden. So beantragte der Kläger mit Schreiben vom 7.7.1993 für die Einkommensteuererklärung 1992 die Verlängerung der allgemeinen Abgabefrist zum 31.5.1993 bis zum 31.8.1993, reichte die Erklärung jedoch erst am 10.12.1993 ein. Mit Schreiben vom 31.5.1994 erbat er für die Abgabe der Einkommensteuererklärung 1993 Fristverlängerung bis zum 30.6.1994, reichte diese jedoch erst am 28.12.1994 ein. Bei den Steuerakten befindet sich kein Fristverlängerungsantrag des Klägers für die Abgabe der Einkommensteuererklärung 1994, diese ging erst am 23.4.1996 beim Beklagten ein. In den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid 1994 vom 13.6.1996, der -wie in den Vorjahren in annähernd gleicher Höhe- einen Erstattungsbetrag von DM 3.520,– auswies, heißt es u.a., daß die Veranlagung nach § 46 Abs. 1 EStG durchzuführen war. Diese Vorschrift sei durch das Jahressteuergesetz 1996 entfallen. Das Finanzamt werde daher ihm, dem Kläger, keine Erklärungsvordrucke mehr zusenden. Sollte er dennoch Vordrucke benötigen, würden diese beim Finanzamt ausliegen. Auf diesen Inhalt der Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid 1994 vom 13.6.1996 hat der Berichterstatter die Beteiligten erst am 13.10.2000 im Klageverfahren hingewiesen. Für das Veranlagungsjahr 1995 ist der Kläger nach seinem unstreitigem Vortrag nur einmal nach Ablauf der allgemeinen Abgabefrist zum 31.5.1996 zur Abgabe seiner Einkommensteuererklärung aufgefordert worden, danach nicht mehr (Bl. 26 d.A.). Er hat sodann mit am 23.10.1996 notariell beurkundeter Annahmeerklärung die von der Firma … GmbH in … errichtete, am 31.7.1996 fertiggestellte, 69,92 qm große und fremdvermietete Eigentumswohnung in … einschließlich Tiefgaragenplatz zum Preis von DM 451.242,– erworben. Im Streitjahr bezog er einen Bruttoarbeitslohn von DM 99.205,23 (einbehaltene Lohnsteuer: DM 28.392,29). Außer Einnahmen aus Kapitalvermögen, die im Streitjahr und zuvor stets unter dem Sparer-Freibetrag blieben, erzielte der Kläger im Streitjahr auch erstmalig negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Für die Jahre 1995 bis 1998 reichte der Kläger die Einkommensteuererklärungen erst am 17.9.1999 ein. Bei deren Anfertigung hat die jetzige Prozeßbevollmächtigte, insbesondere der dort als Steuerberater tätige Bruder des Klägers, mitgewirkt. Der Kläger hat die jetzige Prozeßbevollmächtigte mit deren Anfertigung am 25.8.1999 beauftragt (vgl. deren Schreiben vom 29.10.1999). Die jetzige Prozeßbevollmächtigte hat hierfür von der DATEV programmäßig erstellte Erklärungsvordrucke verwendet. In der Anlage V zur Einkommensteuererklärung des Streitjahres wurden negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. DM 60.948,– erklärt. Sie setzten sich zusammen aus den Einnahmen der Dezembermiete von DM 1.284,– zzgl. DM 90,– wegen Tiefgarage und aus den Werbungskosten von zus. DM 62.322,–, darin enthalten u.a. ein Damnum von DM 43.800,–, eine Gebühr für Mietgarantie von DM 5.496,– und die degressive, volle Jahres-AfA gem. § 7 Abs. 5 EStG von DM 7.900,–. Die älteste Kostenrechnun...

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