Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsatzwechseltätigkeit einer "Politesse"
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine "Politesse" übt eine Einsatzwechseltätigkeit aus, wenn sie das Dienstgebäude (Straßenverkehrsamt) nur zum Entleeren ihres elektronischen Erfassungsgerätes aufsucht und dort im übrigen keinen wesentlichen Teil ihrer Arbeitsleistung erbringt.
2) Ein größeres räumliches Gebiet kann nur dann als einheitliche Arbeitsstätte beurteilt werden, wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände des Arbeitgebers handelt. Ein gesamter Stadtbereich, ein Ballungsgebiet oder der Raum um den Betriebsort im Radius des üblichen Einzugsbereichs kann nicht als sog. großräumige Arbeitsstätte angesehen werden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, 1 S. 1, § 4 Abs. 5, 5 Nrn. 5, 5 S. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Berücksichtigung von Mehraufwendungen für Verpflegung in pauschalierter Höhe wegen wechselnder Einsatzstellen hat.
Die verheiratete, steuerlich nicht vertretene Klägerin war im Streitjahr als Ordnungskraft im Außendienst der Verkehrsüberwachung des Straßenverkehrsamtes („Politesse”) der Stadt … tätig und erzielte insoweit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG. Laut einer Bescheinigung der Stadt … vom 29.1.1999 (Bl. 5 d.A.) begann ihre regelmäßige Dienstzeit um 08.00 Uhr bzw. um 10.00 Uhr an der Dienststelle und endete um 17.00 Uhr bzw. um 19.00 Uhr ebenfalls an der Dienststelle. Ihr stand eine einstündige Mittagpause zu. Im Zusammenhang mit der Veranlagung für 1990 hat die Klägerin ausweislich eines Aktenvermerks des Beklagten diesem gegenüber geäußert, daß sie ihre Dienststelle auch in der Mittagszeit aufsucht.
In der hier streitigen gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 1998 machte die Klägerin Mehraufwendungen für Verpflegung bei Einsatzwechseltätigkeit für 225 Arbeitstage à 10 DM (§ 4 Abs. 5 Nr. 5 Buchstabe c) EStG i.V. mit Abschnitt 39 Abs. 1 LStR) mit einem rechnerisch unzutreffenden Gesamtbetrag von 2.500 DM geltend. Mit Bescheid vom 4.3.1999 lehnte der Beklagte – wie bereits in den Vorjahren – die Berücksichtigung dieser Aufwendungen ab, da seiner Ansicht nach die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren. Bei einem zu versteuernden Einkommen i.H. von 37.495 DM setzte er die Einkommensteuer nach der Splittingtabelle auf 3.402 DM fest.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit am 19.3.1999 beim Beklagten eingegangenem Schreiben Einspruch ein. Sie machte geltend, daß sie länger als 10 Stunden außer Hauses sei und somit Anspruch auf den Ansatz einer Pauschale für Verpflegungsmehraufwand habe. Mit Einspruchsentscheidung vom 29.4.1999 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die vorliegende, am 21.5.1999 bei Gericht eingegangene Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung führt sie aus, daß der Arbeitgeber ihr „eindeutig Außendiensttätigkeit mit ständig wechselnden Einsatzbereichen” bescheinigt habe. Es sei ihr nicht immer möglich, in den Pausen die Anlaufstelle aufzusuchen. Im übrigen betreue sie manchmal – bedingt durch Urlaub, Erkrankung oder sonstige Ausfälle von Kollegen – drei Reviere. Sie sei dann gezwungen, irgendwo etwas zu essen und zu trinken. Dies seien die Kosten, die ihr entstünden.
In der mündlichen Verhandlung ergänzte die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wie folgt:
Die elektronischen Erfassungsgeräte würden – nunmehr bereits in der zweiten Gerätegeneration – seit ca. 10 Jahren eingesetzt. In früheren Jahren seien sog. Verwarnungsgeldzettel ausgestellt und unter den Scheibenwischer des Fahrzeugs geheftet worden. Über diese ausgeteilten Verwarnungsgeldzettel hätten die Politessen seinerzeit täglich im Straßenverkehrsamt „abrechnen” müssen. Das Entleeren der elektronischen Erfassungsgeräte in die zentrale EDV-Anlage erfolge heute nur noch jeden zweiten Tag.
In der mündlichen Verhandlung wurde eine vom Berichterstatter eingeholte telefonische Auskunft (vgl. Aktenvermerk vom 29.9.2000, Bl. 18) des Vorgesetzten der Klägerin beim Straßenverkehrsamtes der Stadt … – Herr … – verlesen. Dieser schilderte die Tätigkeit der Klägerin wie folgt:
„Die Ordnungskräfte im Außendienst seien mit einem elektronischen Erfassungsgerät ausgestattet, mit dem sie Verkehrsverstöße erfassten. Jede Ordnungskraft habe einen festen Bezirk. Je nach Situation würden sie allerdings telefonisch auch zur Bestreifung anderer Bezirke eingesetzt. Angesichts der Personalknappheit komme dies nicht selten vor. Der feste Bezirk werde von der Ordnungskraft von ihrer Wohnung aus direkt angefahren. Das Straßenverkehrsamt werde am Morgen nicht aufgesucht. Kurz vor Beginn der Mittagpause begebe sich die Ordnungskraft zu einem Terminal entweder im Straßenverkehrsamt oder in …, um die auf dem Erfassungsgerät gespeicherten Daten in die EDV-Anlage einzuspeisen. Auch abends sei ein Aufsuchen des Straßenverkehrsamtes nicht erforderlich und werde auch nicht praktiziert. Er, Herr …, habe einige Ordnungskräfte schon mehrere Wochen nicht gesehen. Den Ordnung...