Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine steuerbegünstigte Abfindung von unverfallbaren Pensionsansprüchen
Leitsatz (redaktionell)
1) Es fehlt an der für die Annahme einer Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 EStG notwendigen Zwangslage, wenn eine unverfallbare Pensionsanwartschaft im gegenseitigen Einvernehmen abgefunden wird und keine Zweifel an der Solvenz des verpflichteten Unternehmens bestehen. Dieses gilt selbst dann, wenn eine Veräußerung der Geschäftsanteile an dem Unternehmen ohne Abfindung der Pensionsansprüche nicht möglich ist.
2) Die Abfindung von Pensionsansprüchen ist keine Gegenleistung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit i.S.d. § 24 Nr. 1 b EStG.
Normenkette
EStG § 24 Nrn. 1b, 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Der am 20.07.1928 geborene Kläger war als Textilkaufmann bei der Fa. A.-GmbH seit dem 01.01.1980 als einer von drei Geschäftsführern als Arbeitnehmer beschäftigt. Die A.-GmbH war Betriebsgesellschaft im Rahmen einer steuerlichen Betriebsaufspaltung; Besitzgesellschaft war die B.-KG, an der der Kläger ebenfalls beteiligt war. Einer der beiden übrigen Geschäftsführer war sein Bruder C. Beide waren darüber hinaus an der A.-GmbH zu jeweils 1/3 der Anteile beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 24.11.1993 veräußerte C. seinen Geschäftsanteil im Nennwert von 100.000,– DM zum Kaufpreis von 100.000,– DM an die verbleibenden Gesellschafter D. und den Kläger. Letzterer räumte dem Mitgesellschafter D. das Recht zur Übernahme seiner Anteile gegen Zahlung des Nennwerts ein.
C. war seit dem 30.08.1992 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Seine Geschäftsführertätigkeit konnte er bereits seit dieser Zeit nicht mehr ausüben. Am 08.02.1994 wurde seine förmliche Abberufung als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen. Der Kläger vollendete mit dem 20.07.1993 sein 65. Lebenjahr und hatte von diesem Zeitpunkt an einen Anspruch auf Zahlung einer Altersrente, da er normalerweise zu diesem Zeitpunkt seine aktive Tätigkeit einstellen sollte. Im Zeitpunkt der späteren Betriebsprüfung im Jahre 1996 war er jedoch nach wie vor Mitgesellschafter-Geschäftsführer.
Mit seiner Einstellung zum 01.01.1980 hatte die Fa. A.-GmbH ihm – genauso wie seinem Bruder C. – eine Pensionszusage mit einem Anspruch auf eine monatlich zu zahlende Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenrente gegeben. Ein Kapitalisierungswahlrecht für den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber sah diese Pensionszusage, die sich in Kopie bei den Steuerakten befindet und auf deren Inhalt im einzelnen Bezug genommen wird, nicht vor.
Mit Schreiben vom 15.03.1993, das sich in Kopie ebenfalls in der Steuerakte befindet und auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird, unterbreitete die A.-GmbH ihm bezüglich der Rentenansprüche aus der Pensionszusage ein Abfindungsangebot über 800.000,– DM. Es heißt dort u.a.: „Im Zuge der Regelungen der Unternehmensnachfolge möchten wir diese ungewisse Verpflichtung für unsere Gesellschaft gerne begrenzen.” Dasselbe Angebot machte die A.-GmbH auch dem Mitgesellschafter C., der dieselbe Pensionszusage besaß. Dieses Angebot nahm der Kläger – genauso wie C. – an. Die Abfindung wurde am 09.11.1993 ausbezahlt. Der nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelte Wert der Pensionszusage betrug zum 31.12.1992 964.495,– DM (so das im Rahmen des Jahresabschlusses der A.-GmbH zum 31.12.1992 eingeholte versicherungsmathematische Gutachten) bzw. zum 31.12.1993 1.102.954,– DM.
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Frage, ob die Abfindungszahlung eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 a oder (hilfsweise) 1 b EStG darstellt und demgemäß der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 2 EStG zu gewähren ist.
Das Finanzamt gewährte für die Abfindungszahlung zunächst im erstmaligen Einkommensteuerbescheid 1993, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, antragsgemäß den ermäßigten Steuersatz. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung bei der A.-GmbH erließ es am 09.04.1997 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid und versagte den ermäßigten Steuersatz, weil es davon ausging, daß eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 EStG nicht vorliege. Zur Begründung des dagegen eingelegten Einspruchs trug der Kläger vor, es sei zu berücksichtigen, daß die Abfindungszahlung auf Wunsch des Arbeitgebers erfolgt sei. Eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 a EStG könne auch bei einer Kapitalisierung von Rentenansprüchen gegeben sein. Die Kapitalisierung beruhe auf einem Wegfall der bisherigen Rechtsgrundlage. Es sei auch ein Schaden eingetreten. Denn die vom Arbeitgeber veranlaßte Kapitalisierung führe beim Empfänger zu der Unsicherheit, ob der Kapitalbetrag zum Lebensunterhalt ausreichen werde und ob künftige Rentenanpassungen entsprechend der in den Folgejahren eintretenden Steigerung des Lebenshaltungskostenindexes hinreichend berücksichtigt worden seien. Auch bleibe...