Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.03.1999; Aktenzeichen I R 124/97)

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wohnte im Streitjahr 1989 zusammen mit ihrem Ehemann …, der als selbständiger Zahnarzt tätig war, in … und wurde durch das Finanzamt … zur Einkommensteuer veranlagt. Am … 1993 verstarb Herr … Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Eheleute … zugunsten der Beklagten zur israelitischen Kultussteuer für das Streitjahr 1989 herangezogen werden durften.

Mit Bescheid des Finanzamts … vom …1993 über Einkommensteuer 1989 wurde zugleich israelitische Kultussteuer 1989 in Höhe von … 00 DM festgesetzt. Der Bescheid war an Herrn … und die Klägerin gerichtet. Gegen die Festsetzung der israelitischen Kultussteuer 1989 wurde bei der Beklagten Synagogengemeinde Einspruch eingelegt mit der Begründung, daß die Eheleute … nicht Mitglied der Religionsgemeinschaft der Beklagten gewesen seien.

Mit Einspruchsentscheidung vom … 1993 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Sie berief sich auf die Anwendung ihres Satzungsrechts, gemäß dem die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann als Juden ihren Wohnsitz im Gemeindegebiet der Beklagten gehabt hätten. Gemäß § 4 der vom Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen genehmigten Satzung der beklagten Synagogengemeinde seien alle im Gemeindegebiet wohnhaften Personen, die Juden seien, Gemeindemitglieder und unterlägen der behördlich genehmigten Kultussteuer. Auf ausdrücklichen Wunsch der Eheleute … habe der Landesrabbiner von Nordrhein, Herr … bestätigt, daß die Eheleute … seit Geburt der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehörten.

Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Heranziehung zur israelitischen Kultussteuer 1989 gewandt. Sie trägt vor, die steuerpflichtigen Einkünfte für das Jahr 1989 seien ausschließlich ihrem verstorbenen Ehemann … zuzuordnen. Daher sei die Berechtigung der Erhebung von Kultussteuer 1989 allein nach der Person des Verstorbenen zu beurteilen. Demnach komme es auf die Frage, ob die Klägerin Jüdin sei, im vorliegenden Verfahren nicht an. Diese Frage sei zum einem unstreitig. Sie (Klägerin) habe „niemals behauptet, keine Jüdin zu sein.” Die Frage, ob die Klägerin im Jahre 1989 Jüdin war oder ob sie Jüdin von Geburt sei oder sich heute noch als Jüdin fühle, sei für den vorliegenden Rechtsstreit überhaupt nicht von Bedeutung. Allein maßgeblich sei die Frage nach der Religionszugehörigkeit des verstorbenen Ehemannes … im Jahre 1989. Hierzu hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 28.01.1994 vortragen lassen:

„Der verstorbene Ehemann der Klägerin war Jude. Wir nehmen insoweit Bezug auf die Feststellung des Herrn Oberrabbiner …. Auch diesseits wird von der Richtigkeit dieser Feststellungen ausgegangen.”

Dennoch könne in diesem Zusammenhang nicht ausschließlich auf eine formelle Religionszugehörigkeit im Sinne der Satzung der beklagten Synagoge abgestellt werden, da die Tatsache einer steuerauslösenden Kirchenzugehörigkeit bzw. Zugehörigkeit zu einer ähnlichen Körperschaft für das in Anspruch genommene Mitglied transparent sein müsse. Dabei müsse auch dringend zwischen einer staatlich relevanten Zugehörigkeit zu einer kirchlichen Körperschaft und der kirchen- bzw. religionsrechtlichen Auffassung einer Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft unterschieden werden. Das Steuerrecht sei schließlich Ausfluß staatlicher Hoheitsgewalt. Im Sinne des staatlichen Rechts könne aber niemand verpflichtet werden, gegen seinen ausdrücklichen Willen und ohne seine Kenntnis als Mitglied einer steuerberechtigten Körperschaft geführt zu werden. Staatliches Recht könne zwar innerkirchliche Grundsätze der Kirchenmitgliedschaft zunächst auch zur Grundlage seiner Beurteilung hinsichtlich Mitgliedschaft machen. Führe das innerkirchliche Recht aber zu dem Ergebnis, daß auch solche Personen als Vollmitglieder betrachtet würden, die dies weder wüßten noch wollten, könne dies staatlicherseits vor allem auch im Hinblick auf Artikel 4 des Grundgesetzes nicht hingenommen werden. Demgemäß reiche im Streitfall die gesetzliche Möglichkeit zum Kirchenaustritt allein nicht aus.

Die Klägerin trägt weiter vor, sie und ihr verstorbener Ehemann seien 1978 aus der ehemaligen Sowjetunion in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach … gekommen. Entsprechend den personenstandsrechtlichen Gepflogenheiten in der ehemaligen Sowjetunion sei die Klägerin in dem sowjetischen Pass als „Jüdin” geführt worden, ihr verstorbener Ehemann … als „Lette”. Die Eltern des Verstorbenen … hätten sich nicht als Mitglieder einer jüdischen Gemeinde betrachtet und „keine Religion ausgeübt”, Gleiches gelte auch für den Verstorbenen …. Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann seien in der ehemaligen Sowjetunion in einem „areligiösen, atheistischen Millieu großgeworden”. Eine Beziehung oder gar religiöse Bindung der Eheleute … an eine jüdische Gemeinde in der Sowjetunion habe nicht bestanden. Dieser Lebenstil und diese religiöse Grundhaltung seien von den Eheleuten … auch nach ihrer Übersiedlung nach … zunächst beibeha...

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