Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumung der Einspruchsfrist bei elektronischer Einspruchseinlegung über das ElsterOnline-Portal
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein Steuerpflichtiger, der im ElsterOnline-Portal einen Einspruch formuliert, diesen aber nicht mit dem Befehl „Senden” an das FA verschickt, sondern stattdessen den Befehl „Speichern und Verlassen” verwendet, hat damit (noch) keinen wirksamen Einspruch eingelegt.
2) Bei irriger Annahme des Steuerpflichtigen besteht nach Ablauf der Einspruchsfrist kein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Normenkette
AO §§ 357, 110, 355
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 05.03.2019; Aktenzeichen VIII B 124/18) |
BFH (Aktenzeichen VIII B 124/18) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 28.07.2017, mit der der Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 29.12.2016 als unzulässig zurückgewiesen worden ist.
Der Kläger erzielt Einkünfte aus einer nichtselbstständigen Tätigkeit beim A. Hierbei ist er unter anderem auch mit Online-Formularen betraut, ….
Der Kläger hielt Genussrechte der B GmbH, welche im Jahr 2014 Insolvenz anmeldete. Das Insolvenzverfahren ist zum Ablauf des 31.07.2015 aufgehoben worden, nachdem die Gläubiger mit der erforderlichen Mehrheit mit Wirkung für sämtliche Insolvenzgläubiger einen Insolvenzplan angenommen haben, der u.a. die Umwandlung der GmbH in eine Genossenschaft zum Inhalt hatte. Der Kläger erhielt für seine Forderung aus den Genussrechten eine Anleihe über 34,5 % seiner ursprünglichen Forderung und eine Auszahlung in Höhe von 23,3 %. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2015 machte der Kläger die übrigen 42,2% seiner Forderungen aus den Genussrechten als Verlust bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.
Schon im Veranlagungsverfahren wies der Kläger darauf hin, dass beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VIII R 69/13 ein einschlägiges Verfahren anhängig sei. Er werde deshalb „Widerspruch” einlegen, sollten die Verluste aus den Genussrechten nicht anerkannt werden.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 19.12.2016 setzte der Beklagte die Einkommenssteuer des Klägers sowie seines mit ihm zusammenveranlagten Lebenspartners ohne Berücksichtigung von Verlusten aus den Genussrechten fest.
Am 15.03.2017 ging auf dem Server der Finanzverwaltung ein über das Elster-Online-Portal erstellter Einspruch des Klägers gegen die vorgenannte Einkommensteuerfestsetzung ein. Dieser wurde damit begründet, dass die Verluste aus den Genussrechten nicht unberücksichtigt bleiben dürften und beim BFH das zuvor bereits bezeichnete Verfahren anhängig sei. Als Einspruchsführer ist in dem Formular ausschließlich der Kläger bezeichnet.
Am 20.03.2017 hielt der Beklagte mit dem Kläger telefonische Rücksprache hinsichtlich des Einspruchs. Im Rahmen dieses Telefonats erklärte der Kläger, er habe den Einspruch bereits im Dezember 2016 über das Elster-Online-Portal verfasst. Dabei habe er jedoch auf „Speichern” gedrückt, wobei ihm nicht bewusst gewesen sei, das „Speichern” nicht „an die Finanzverwaltung senden” bedeute. In der vergangenen Woche sei er dann durch das Onlineprogramm daran erinnert worden, dass sich noch ein Schreiben in der Ablage befinde. Daraufhin habe er den Einspruch unmittelbar versendet. Im Rahmen des Telefonats bat er, den Einspruch trotz allem als fristgerecht zu werten.
Das Elster-Onlineportal war – jedenfalls mit Stand 27.07.2017 – für die Abgabe von Einsprüchen wie folgt aufgebaut: Die Navigation sollte grundsätzlich über drei so genannte „Reiter” im oberen linken Bereich der Seite erfolgen, die mit „Eingeben”, „Prüfen” und „Versenden” beschriftet waren. Der Reiter „Versenden” war dabei bis zur erfolgreichen Überprüfung unter dem Reiter „Prüfen” ausgegraut und hob sich solange farblich kaum, aber noch erkennbar, von dem ansonsten weißgrauen Hintergrund der Seite ab. Im Hauptarbeitsbereich in der Mitte der Internetseite konnte der Steuerpflichtige formularmäßig die Daten zu seinem Einspruch, etwa die Bezeichnung des Einspruchsführers, eines Bevollmächtigten sowie die Begründung des Einspruches eingeben. Oben rechts auf der Seite befand sich die farblich in Orange hervorgehobene Schaltfläche „Speichern und Verlassen”. Nach dem Anklicken dieser Schaltfläche erschien ein Hinweis, wonach das Formular unter einer bestimmten dort angezeigten Bezeichnung gespeichert werde und dieses zur weiteren Bearbeitung unter „Aufgaben” im privaten Bereich der Startseite aufgerufen werden könne. In diesem Hinweisfenster wurden dem Steuerpflichtigen die Auswahlmöglichkeiten „Speichern und Verlassen”, „ohne Speichern verlassen” und „Zurück zum Formular” vorgegeben. Nach dem Speichern war das Formular im Bereich Aufgaben der Internetseite aufgeführt und konnte von dort aus weiter bearbeitet werden, wurde jedoch noch nicht als eingereichter Einspruch behandelt. Nach 90 Tagen erfolgt eine automatische Löschung gespeicherter Formulare, wobei der Steuerpflichtige zuvor über die bevorstehend...