Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Verlustrealisierung nach § 17 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Der zeitliche Zuordnung der Gewinn- bzw. Verlustrealisation für einen Gewinn bzw. Verlust i.S. des § 17 EStG erfolgt zwingend auf einen bestimmten Zeitpunkt; es ist nicht denkbar, dass die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu einer Feststellung von zwei oder mehr Realisationszeitpunkten führen, von denen der Steuerpflichtige nach seinem Belieben einen wählen kann.
Normenkette
EStG § 17
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines Verlustes nach § 17 EStG.
Der Kläger war ab 22.1.2008 zu 34,92 % an der 2003 gegründeten A GmbH (im Folgenden: GmbH) beteiligt. Das Stammkapital der GmbH betrug 25.200 €, der Anteil des Klägers 8.800 €. Gegenstand des Unternehmens der GmbH waren der Betrieb von gastronomischen Objekten und die Beratung von Gastronomiebetrieben.
Die GmbH unterhielt bis 30.4.2009 die Diskothek „B” in C. Nachdem der Vermieter der Betriebsräume wegen erheblicher Mietrückstände die Kündigung des Mietverhältnisses ausgesprochen und die Räumung des Mietobjektes betrieben sowie ein Vermieterpfandrecht an der Discothekeneinrichtung geltend gemacht hatte, konnte das Unternehmen ab Mai 2009 nicht mehr fortgeführt werden. Daraufhin stellte die GmbH am 19.5.2009 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, dem das Amtsgericht D mit Beschluss vom ….2009 stattgab (Az. 1). Laut Jahresabschluss der GmbH auf den ….2009 verfügte diese über Aktiva mit Buchwerten von 97.338 €, (im Wesentlichen Ladeneinrichtung und Einbauten aus 2008 von 46.530 € und Forderungen von 50.808 €), sowie Verbindlichkeiten mit Buchwerten i.H.v. 654.595 €.
Dem Gutachten des Insolvenzverwalters vom ….2009 ist zu entnehmen, dass die GmbH 2008 ein Ergebnis von -474.194,03 € und in dem Zeitraum Januar bis Mai 2009 von -8.478,85 € erzielte. Nach dem Gutachten war die GmbH zahlungsunfähig und überschuldet. Die Mietrückstände beliefen sich bei Erstellung des Gutachtens auf 187.425 €, die fälligen Verbindlichkeiten auf 393.145,97 €, die Verbindlichkeiten insgesamt auf 409.804,19 €. Dem standen liduide Mittel von 1.759,99 € und ein Aktivvermögen im Wert von 50.268,99 € gegenüber. Der Insolvenzverwalter stellte ferner fest, dass die freie Masse bei Ansatz von Liquidationswerten von 21.117,21 € die Kosten des Insolvenzverfahren von voraussichtlich 12.604,15 € decken würde. Für weitere Einzelheiten wird auf das in den Steuerakten des Beklagten befindliche Gutachten des Insolvenzverwalters vom ….2009 Bezug genommen.
Bei Abschluss des Insolvenzverfahrens wurden 1.527 €, was einer Insolvenzquote von 0,368 % entspricht, an die Gläubiger der GmbH ausgezahlt. Das Insolvenzverfahren wurde nach Vollziehung der Schlussverteilung mit Beschluss des Amtsgerichts D vom ….1.2012 aufgehoben.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 machte der Kläger einen Verlust i.S.v. § 17 EStG im Teileinkünfteverfahren aus der Auflösung der GmbH i.H.v. 8.800 € × 60 % = 5.280 € geltend.
Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2011 des Klägers mit Bescheid vom 31.8.2012 auf 23.751 € fest und erkannte dabei den geltend gemachten Verlust aus der Auflösung der GmbH nicht an. Dies begründete er damit, dass der Verlust für 2009 hätte erklärt werden müssen.
Den dagegen am 4.9.2012 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Entscheidung vom 15.4.2013 zurück. Nach seiner Auffassung habe bereits 2009 festgestanden, dass der Kläger nicht mehr mit einer Auskehrung auch nur von Teilen des Stammkapitals habe rechnen können. Damit sei der Verlust bereits dem Grunde und der Höhe nach in diesem Jahr hinreichend konkretisiert gewesen.
Mit der Klage vom 8.5.2013 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, dass im Zeitpunkt der Insolvenzprüfung noch nicht festgestanden habe, dass es zu keiner Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter der GmbH mehr kommen würde. Denn es seien noch Zahlungen an die Gläubiger der GmbH erfolgt. Ob und in welcher Höhe stille Reserven durch den Insolvenzverwalter realisiert werden, zeige sich außerdem erst, nachdem Grundlagen für die Schlussverteilung des Vermögens durch Veräußerung der Unternehmensgegenstände geschaffen wurden.
Der Kläger beruft sich auf das Urteil des BFH vom 12.12.2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761. Er ist der Auffassung, der BFH bleibe in dieser Entscheidung bei dem von ihm entwickelten Grundsatz, dass der Zeitpunkt des Abschlusses eines Liquidationsbzw. Insolvenzverfahrens bei der GmbH als Zeitpunkt der Verlustentstehung i.S.d. § 17 EStG anzuerkennen sei, wenn die Verlustberücksichtigung zu diesem Zeitpunkt beantragt werde. Das vorgenannte BFH-Urteil sei keine Abweichung von diesem Grundsatz, sondern nur eine Öffnung zugunsten des Steuerbürgers hinsichtlich des Veranlagungszeitraums der Verlustberücksichtigung. Es gelte insbesondere für Fälle, in denen dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten sei, bis zum Abschluss eines Liquidations- oder Insolvenzverfahrens zu warten, um...