Entscheidungsstichwort (Thema)
Offenbare Unrichtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Ein Rechtsanwendungsfehler auf der Ebene des Steuerpflichtigen wird durch die Übernahme im Rahmen der Veranlagungsarbeiten nicht zu einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO. Hat damit das Finanzamt einen Rechtsanwendungsfehler des Steuerpflichtigen bzw. des steuerlichen Beraters übernommen (hier die unterbliebene Hinzurechnung der Gewerbesteuer als nichtabzugsfähige Betriebsausgabe), kommt eine Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO nicht in Betracht.
Normenkette
AO § 129 S. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte eine Korrektur des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2010 nach § 129 AO vornehmen durfte.
Die steuerlich beratene Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und besteht aus drei Gesellschaftern. Sie betrieb im Besteuerungszeitraum 2010 einen gewerblichen Grundstückshandel und erzielte daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Im Rahmen ihrer am 24.7.2012 beim Beklagten eingereichten Feststellungserklärung wies die Klägerin in der Anlage FE 1 in Kennziffer 100 laufende Einkünfte in Höhe von 270.475,47 Euro aus. Darüber hinaus gab sie in Kennziffer 158 den Gewerbesteuermessbetrag mit 8.974 Euro und in Kennziffer 212 die für das Jahr 2010 tatsächlich zu zahlende und auf den Messbetrag laut Kennziffer 158 entfallende Gewerbesteuer mit 40.383 Euro an. Für nähere Einzelheiten wird auf die in der Steuerakte des Beklagten befindliche Feststellungserklärung Bezug genommen.
In der ebenfalls eingereichten Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2010 wurde der Jahresüberschuss mit 270.475,47 Euro ausgewiesen. Bei der Ermittlung dieses Jahresüberschusses wurden vom Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in Höhe von 315.470,45 Euro die Gewerbesteuer mit 40.383 Euro sowie sonstige Steuern (Grundsteuer) mit 4.611,98 Euro abgezogen, so dass sich der Jahresüberschuss von 270.475,47 Euro ergab. Für nähere Einzelheiten wird auf die in der Steuerakte des Beklagten befindliche Gewinn- und Verlustrechnung Bezug genommen.
Im Rahmen der ebenfalls am 24.7.2012 beim Beklagten eingereichten Gewerbesteuererklärung wurde der Gewerbeertrag mit 310.858 Euro in Kennziffer 10 eingetragen. Für nähere Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten des Beklagten befindliche Gewerbesteuererklärung Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 6.9.2012 stellte der Beklagte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärungsgemäß in Höhe von 270.475,47 Euro gesondert und einheitlich fest und verteilte sie entsprechend dem Aufteilungsschlüssel auf die einzelnen Beteiligten der Klägerin. Der Gewerbesteuermessbetrag wurde ebenfalls erklärungsgemäß festgesetzt, wobei der Gewinn aus Gewerbebetrieb in diesem Zusammenhang mit 310.858 Euro zugrunde gelegt wurde.
Die Bescheide ergingen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und wurden bestandskräftig.
Im Rahmen einer internen Prüfung stellte der Beklagte in der Folgezeit fest, dass der Gewinn im Feststellungsbescheid 2010 um 40.383 Euro zu niedrig angesetzt wurde, weil die erforderliche Zurechnung der Gewerbesteuer als nichtabzugsfähige Betriebsausgabe unterblieben war.
Vor diesem Hintergrund erließ der Beklagte mit Datum vom 5.11.2015 einen auf § 129 AO gestützten Änderungsbescheid, in dem er die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 310.858,47 Euro ansetzte und auf die Beteiligten verteilte. Für nähere Einzelheiten wird auf den Steuerbescheid vom 5.11.2015 Bezug genommen.
Die Klägerin legte hiergegen mit Schreiben vom 20.11.2015 Einspruch ein und trug zur Begründung vor, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 AO nicht gegeben seien.
In der Rechtsbehelfsakte des Beklagten befindet sich ein am 25.11.2015 erstellter Ausdruck einer Bildschirmdarstellung (Hardcopy), aus dem sich der Wortlaut einer Hinweismitteilung für den Zeitraum 2010 in der Rubrik „Feststellung von Einkünften” mit der Bezeichnung „A” und dem Text „Es liegt eine Differenz zwischen dem bei der Feststellung berücksichtigten laufenden Gewinn und dem gewerbesteuerlichen Gewinn vor. Die Differenz beträgt §§§§§§§§§§ EUR” ergibt. Betragsmäßige Angaben enthält der Text nicht. Ein solcher Hinweis befindet sich in den Veranlagungsakten des Beklagten nicht. Für nähere Einzelheiten wird auf den Ausdruck Bezug genommen.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 4.7.2016 zurück und trug zur Begründung vor, dass die Berichtigung des Ursprungsbescheids nach § 129 AO habe erfolgen dürfen. Es sei für jeden offen erkennbar, dass der in der Feststellungserklärung angegebene Gewinn in Höhe von 270.475,47 Euro von dem in der Gewerbesteuererklärung angesetzten Gewinn in Höhe von 310.858 Euro abweiche. Zudem sei auch aus der Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2010 offen erkennbar, dass die zwischen diesen beiden Beträgen bestehende Differenz in Höhe von 40.383 Euro „ausschließlich” auf der Nichthinzurechnung der nicht als Betriebsausgaben abzugsfähigen Gewerb...