Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts und Wirtschaftsprüfers als Insolvenzverwalter

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer erzielt mit der Tätigkeit als Insolvenzverwalter gewerbliche Einkünfte. Er erzielt weder freiberufliche Einkünfte aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, noch Einkünfte aus sonstiger selbständiger Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

2) Einkünfte eines Insolvenzverwalters, der mehr als einen qualifizierten Mitarbeiter beschäftigt, beruhen zudem nicht auf der eigenen Arbeitskraft i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Die entschärften Anforderungen gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG gelten nicht für Einkünfte i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

3) Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter ist auch dann keine freiberufliche i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn sie weniger als 50% der Gesamttätigkeit ausmacht.

4) Auch der vorläufige Insolvenzverwalter erzielt keine freiberuflichen Einkünfte i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 3, § 15 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.01.2011; Aktenzeichen VIII R 29/08)

BFH (Urteil vom 26.01.2011; Aktenzeichen VIII R 29/08)

 

Tatbestand

Strittig ist, ob es sich bei der Tätigkeit des Klägers als Insolvenzverwalter um eine gewerbliche Tätigkeit handelt.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer und er betreibt seine Kanzlei im Zuständigkeitsbereich des Beklagten (Finanzamt – FA –). Die von ihm erklärten Einkünfte wurden vom FA zunächst in vollem Umfang als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gesondert festgestellt.

Nach den vom Kläger vorgelegten Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG sind in den Gesamteinnahmen der Streitjahre 1997 bis 2000 von durchschnittlich rund 3 Mio. DM, denen Aufwendungen für Löhne / Gehälter und „freie Mitarbeiter” von durchschnittlich rund 1,8 Mio. DM gegenüberstanden, folgende Betriebseinnahmen aus Insolvenzverwaltertätigkeit enthalten:

1997

1.246.573 DM

1998

3.277.725 DM

1999

807.326 DM

2000

1.893.937 DM

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Jahresabschlüsse Bezug genommen.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung (Beginn 16.01.2003; Bericht vom 24.11.2003) legte der Kläger eine Übersicht über die Personalstruktur sowie über die Qualifikation und den Einsatz seiner Mitarbeiter bzw. deren Zuordnung zur „Insolvenzabteilung” und zu anderen Tätigkeitsbereichen (Anwaltstätigkeit, Steuerberatung) vor. Danach beschäftigte der Kläger in den Streitjahren bis zu 7 Juristen, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater (Berufsträger), allerdings nicht gleichzeitig und zum Teil als Teilzeitkräfte. Umgerechnet auf die Jahresarbeitskraft einer Vollzeitstelle handelte es sich um 4,5 Berufsträger in 1997, in 1998 und 1999 waren es 3,5 und in 2000 waren es 3,75 Berufsträger. Diese waren nach seinen Angaben zu rund 40 % in der „Insolvenzabteilung” und zu rund 60 % in der Steuer- und Rechtsabteilung tätig. Ferner beschäftigte er durchschnittlich rund 11,5 qualifizierte Insolvenzsachbearbeiter, Rechtsanwaltsgehilfen, Steuerfachgehilfen und Lohnbuchhalter sowie durchschnittlich rund 7 Schreibkräfte, Sekretärinnen und kaufmännische Angestellte. Hinzu kamen weitere Aushilfskräfte, Referendare, Studenten, Auszubildende und Arbeiter (Hauswart, Putzhilfen, Fahrer usw.). Die qualifizierten Insolvenzsachbearbeiter, Fachgehilfen und Lohnbuchhalter waren überwiegend ausschließlich in der „Insolvenzabteilung” tätig bzw. sowohl in diesem Bereich als auch in anderen Tätigkeitsbereichen beschäftigt. Das gleiche galt für die Schreibkräfte und Sekretärinnen. Es ließ sich nur eine Fachgehilfin ausschließlich der allgemeinen Steuer- und Rechtsabteilung zuordnen. Die Referendare wurden nach den Angaben des Klägers zu 50 % in der „Insolvenzabteilung” eingesetzt. Der Wirtschaftsprüfer wurde als Leiter der Steuerabteilung bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Steuerfragen in Insolvenzverfahren hinzugezogen.

Der Betriebsprüfer ermittelte anhand der Angaben des Klägers folgende „Kennzahlen” zum Umfang der „Insolvenzabteilung”, wobei er die Berufsträger mit 40 % und die Referendare mit 50 % berücksichtigte, allerdings die Fachgehilfen und Sachbearbeiter nur insoweit, als sie ausschließlich im Insolvenzbereich eingesetzt waren (und nicht auch diejenigen, die sowohl dort als auch in anderen Bereichen tätig waren):

1997

1998

1999

2000

Gehaltsaufwendungen (in DM)

533.094

590.274

587.256

575.926

Personaleinsatz:

Rechtsanwälte

1,10

1,40

1,48

1,50

Sachbearbeiter

4,08

4,00

4,25

4,85

Aushilfssachbearbeiter

1,00

1,00

Schreibkräfte

1,50

1,50

1,50

1,88

Auszubildende

0,42

1,00

Fachgehilfen

1,00

1,00

0,75

Referendare

0,50

0,29

0,21

Aushilfen, Hilfskräfte

2,08

3,60

4,18

3,67

Summe Angestellte

11,26

12,79

12,79

12,90

Weiter führte der Prüfer folgendes aus: Die Insolvenzverwaltung sei der Schwerpunkt der gesamten Tätigkeit des Klägers, deren Umfang durchgängig die Beschäftigung mehrerer qualifizierter Mitarbeiter erfordert habe. Bei der Insolvenzverwaltung handele...

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