Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkosten bei Einsatzwechseltätigkeit in 2004 vom ersten Kilometer ab mit 0, 30 je gefahrenem Kilometer zu berücksichtigen
Leitsatz (redaktionell)
1) Die 30-km-Grenze gem. Abschnitt III des BMF v. 26.5.2005 - IV C 5 - S 2353 - 211/05, BStBl. I 2005, 960, nach der bei Einsatzwechseltätigkeiten bis 30 km nur die Entfernungspauschale absetzbar ist, findet weder eine Stütze im Gesetz, noch ist sie mit der durch das urteil des BFH v. 11.5.2005 - VI R 70/03, BStBl. II 2005, 785 geänderten BFH-Rechtsprechung vereinbar.
2) Für Wege eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und ständig wechselnden Tätigkeitsstätten sind die Kosten für die tatsächlich gefahrenen Kilometer als Werbungskosten abziehbar.
Normenkette
LStR 2004 R 38 Abs. 3; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob im Rahmen einer Einsatzwechseltätigkeit nach wie vor die 30-km-Grenze der R 38 Abs. 3 LStR 2004 zu berücksichtigen ist.
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten. Der Kläger ist nichtselbständig als Fliesenleger tätig und übte im Streitjahr 2004 unstreitig eine Einsatzwechseltätigkeit aus. Die Entfernungen zwischen Wohnung und den jeweiligen Einsatzstätten betrug zumeist weniger als 30 km. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Kläger gefertigte Anlage zur Einkommensteuererklärung verwiesen, die insoweit – auch hinsichtlich der insgesamt gefahrenen 14.218 km – unstreitig ist. In der Einkommensteuererklärung begehrte der Kläger die insgesamt gefahrenen km mit jeweils 0,30 EUR zu berücksichtigen und deshalb 4.266 EUR als Werbungskosten anzusetzen.
Im vorliegend streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 23. November 2005 berücksichtigte der Beklagte nur Fahrtkosten i.H.v. 2.700 EUR als Werbungskosten, weil er der Auffassung war, die Fahrtkosten seien nur dann wie Reisekosten zu behandeln, wenn die Einsatzstelle mehr als 30 km von der Wohnung entfernt sei (Hinweis auf R 38 Abs. 3 LStR 2004).
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2006) erhobenen Klage machen die Kläger geltend, im Falle von Einsatzwechseltätigkeit mit täglicher Rückkehr zur Wohnung des Arbeitnehmers seien die Fahrtkosten insgesamt mit 0,30 EUR pro km und nicht nur mit der Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG absetzbar. Unzutreffend sei der Abschnitt III des BMF-Schreibens vom 26. Oktober 2005 IV C 5 – S 2353 – 211/05 (BStBl I 2005, 960), nachdem das BFH-Urteil vom 11. Mai 2005 VI R 70/03 (BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785) nur unter Beachtung der 30-km-Grenze gemäß R 38 Abs. 3 LStR anzuwenden sei.
Die Kläger beantragen, den Einkommensteuerbescheid für 2004, zuletzt geändert am 13. März 2006, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2006 dahin zu ändern, dass die Fahrtkosten des Klägers mit 0,30 EUR pro km und nicht nur mit den Kosten für die jeweiligen Entfernungskilometer berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte weist auf die ihn bindende Erlasslage hin und hat den angefochtenen Bescheid am 13. März 2006 lediglich insoweit geändert, als Fahrten von mehr als 30 km mit dem vollen Satz von 0,30 EUR pro km berücksichtigt wurden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die 30-km-Grenze gemäß Abschnitt III des BMF-Schreibens vom 26. Oktober 2005 IV C 5 – S 2353 – 211/05 (BStBl I 2005, 960) findet weder eine Stütze im Gesetz noch ist sie mit der durch das BFH-Urteil vom 11. Mai 2005 VI R 70/03 (BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785) geänderten Rechtsprechung vereinbar.
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung sind Werbungskosten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Nach Satz 2 der Vorschrift ist zur Abgeltung dieser Aufwendungen für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale anzusetzen. Diese betrug im Streitjahr für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 0,30 EUR. Der BFH sieht in dieser Abzugsbeschränkung eine Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip, weil sie den sonst geltenden Grundsatz der unbeschränkten Abziehbarkeit von Werbungskosten einschränkt (BFH-Urteile vom 31. Oktober 1973 VI R 98/73, BFHE 111, 76, BStBl II 1974, 258, vom 11. Mai 2005 VI R 70/03, BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785).
2. Diese Einschränkung des Werbungskostenabzugs gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG gilt nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht für Fahrten von der Wohnung zu ständig wechselnden Tätigkeitsstätten (Einsatzstellen). Bei diesen Fahrten handelt es sich um einen Typus, der von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG seinem Zweck nach nicht erfasst werden sollte, weil sie aber den Dienstreisen (Auswärtstätigkeiten i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG) ähnlich sind. Denn eine Einsatzwechseltätigke...