Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch eines nach Deutschland entsandten, weiterhin in Polen sozialversicherten Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
Ein nach Deutschland entsandter polnischer Arbeitnehmer, der für die Streitjahre einen Antrag auf Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtiger Grenzpendler gem. § 1 Abs. 3 EStG gestellt hat, hat für die Monate seines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland einen Anspruch auf Differenzkindergeld über das polnische Kindergeld hinaus.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1 S. 1 und 2, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 4 S. 2, § 62 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger für die Veranlagungszeiträume 2004, 2005 und 2006 Kindergeld für sein am …. Januar 1996 geborenes eheliches Kind A zusteht.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger, der in der Zeit vom 6. Dezember 2004 bis 30. November 2005 und in der Zeit vom 8. März 2006 bis 30. August 2006 im Auftrag einer polnischen Arbeitgeberin in Deutschland arbeitete. Einen weiteren Unternehmenssitz unterhielt die Arbeitgeberin – die B AG – in der C-Straße …, D. In dem vorgenannten Entsendungszeitraum, wohnte der in Polen weiterhin sozialversicherte Kläger in Deutschland (E). Auf die entsprechende Bescheinigung des Arbeitgebers wird Bezug genommen (Bl. 5 und 6 der Kindergeldakte). Für den Veranlagungszeitraum 2005 erließ das Finanzamt F im Jahr 2007 einen Einkommensteuerbescheid, mit dem der Kläger und seine Ehefrau als unbeschränkt steuerpflichtig zusammen veranlagt wurden. Für den Veranlagungszeitraum 2004 und 2006 hat der Kläger keine Einkommensteuerbescheide vorgelegt. Für den Veranlagungszeitraum 2006 existiert eine an die inländische Adresse des Klägers adressierte besondere Lohnsteuerbescheinigung der B SA, ausgestellt an ihrem inländischen Unternehmenssitz. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Unterlagen verwiesen (Bl. 8-10 der Kindergeldakte).
Ausweislich des Formulars „E 411 PL” erhielt der Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 und 1. März 2006 bis 31. August 2006 in Polen Familienleistungen in Höhe von insgesamt 821 Zloty. Auf das entsprechende Formular wird Bezug genommen (Bl. 36-41 der Kindergeldakte). Ausweislich einer weiteren Bescheinigung E 411 PL erhielt der Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 2004 bis 31. August 2006 Familienleistungen i.H.v. 1083 Zloty (Bl. 59, 60 der Prozessakte).
Mit Bescheid vom 23. Juli 2008 lehnte die Beklagte die vom Kläger beantragte Festsetzung von Kindergeld für sein Kind A ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2008 (einem Donnerstag) als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dem Kläger stehe ein Kindergeldanspruch nicht zu, weil er den polnischen Vorschriften über die Gewährung von Familienleistungen unterliege.
Am 13. November 2008 beantragte der Kläger unter Beifügung der Erklärung nach § 117 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung – ZPO – die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Fortführung seines Begehrens im Klageverfahren.
Nachdem der 14. Senat des Finanzgerichts Köln den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 4. März 2009 14 K 3924/08, den Rechtsanwälten G, H und I am 5. März 2009 per Fax zugesandt, aus sachlichen Gründen abgelehnt hatte, hat der Kläger am 20. März 2009 Klage erhoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zum Wiedereinsetzungsantrag trägt der Kläger vor, erst mit der Entscheidung über seinen Prozesskostenhilfeantrag sei das Klagehindernis weggefallen.
In der Sache selbst trägt der Kläger vor, er erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 62 ff. des Einkommensteuergesetzes – EStG –, weil er auf seinen Antrag hin als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 EStG behandelt worden sei. Außerdem habe er sich im Rahmen seiner entsandten Tätigkeit ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten, so dass nach der Vermutung des § 9 S. 2 der Abgabenordnung – AO – von einem inländischen gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen sei. Die Beklagte gehe zu Recht davon aus, dass die Verordnung (EWG) 1408/71 auf ihn anwendbar sei. Fehlerhaft sei jedoch die Annahme der Beklagten, dass es für das Bestehen eines Kindergeldanspruches darauf ankomme, in welchem Mitgliedstaat der Betroffene der Sozialversicherungspflicht unterliege. In der Rechtssache Bosmann habe der Europäische Gerichtshof – EuGH – diese Auslegung für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt. Nach der Entscheidung des EuGH sei allein darauf abzustellen, ob die innerstaatlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Sozialleistungen erfüllt seien.
Der Ausschlusstatbestand des § 65 EStG, auf den sich die Beklagte stütze, komme im Streitfall nicht zur Anwendung. Die gegenteilige Auffassung würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass eine zunächst gemeinschaftsrechtlich verbindliche Kollisionsregelung aufgrund einer mitgliedstaatlichen Regelung wieder dahingehend geändert werden würde, dass ein der gemeinschaftsrechtlichen Regelung entgegenstehendes Ergebnis erzielt werde. Das e...