rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
AdV betr. Haftung
Tenor
Die Vollziehung des Haftungs- und Nachforderungsbescheids des Antragsgegners vom 22.10.1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.4.1998 wird insoweit ausgesetzt und aufgehoben, als der Antragsteller in Höhe von … DM für Lohnsteuer, in Höhe von … DM für evangelische Kirchensteuer, in Höhe von … DM für römisch-katholische Kirchensteuer und in Höhe von … DM für Solidaritätszuschlag in Anspruch genommen worden ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beschwerde wird nicht zugelassen.
Der Streitwert beträgt … DM.
Gründe
Der aus dem Tenor ersichtliche Antrag hat Erfolg.
Zwar hat der Antragsteller in seinem Antrag vom 6.5.1998 „Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Betrages in Höhe von … DM” verlangt. Dieser Antrag ist aber auslegungsfähig.
Aus der Begründung des Antrags sowie aus dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens ergibt sich, daß sich der Antragsteller gegen den Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 22.10.1996 nur insoweit wendet, als diesem Bescheid die Prüfungsfeststellungen zu Ziff. 2 „Beschäftigung von Aushilfskräften mit Lohnsteuerkarte” im Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 27.9.1996 zugrunde liegen. Sowohl im Einspruchsverfahren als auch im Klage- und Aussetzungsverfahren beanstandet der Antragsteller lediglich, daß der Antragsgegner „zu Unrecht den Arbeitslohn von Aushilfskräften nach der Lohnsteuer-Tagestabelle”, dagegen nicht – wie geschehen – nach der Lohnsteuer-Monatstabelle „versteuert”. Nicht im Streit sind dagegen die Prüfungsfestellungen zu Ziff. 1 „Aushilfskräfte – geringfügig Beschäftigte” (Nacherhebung pauschalierter Lohnsteuer gemäß § 40 a Abs. 2 EStG bei Arbeitnehmern ohne Lohnsteuerkarte) noch die Prüfungsfestellungen zu Ziff. 3 „Zahlung von Sonn- und Feiertagszuschlägen” (Nachversteuerung bei Arbeitnehmern mit Lohnsteuerkarte).
Daraus folgt: Im Streit ist der Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 22.10.1996, der als sogenannter Sammelbescheid eine Vielzahl von Verwaltungsakten enthält, lediglich insoweit, als darin der Antragsteller als Arbeitgeber in Höhe von … DM für Lohnsteuer, in Höhe von … DM für evangelische Kirchensteuer, in Höhe von … DM für römisch-katholische Kirchensteuer und in Höhe von… DM für Solidaritätszuschlag, insgesamt also in Höhe von … DM in Anspruch genommen worden ist. Im übrigen ist der Bescheid unangefochten geblieben und damit bestandskräftig geworden. Soweit der Antragsteller in seinem Antrag die Aussetzung in Höhe von … DM begehrt, handelt es sich nur um eine zu vernachlässigende rechnerische Ungenauigkeit bei der Addierung der den angefochtenen und zu einem Sammelbescheid zusammengefaßten Verwaltungsakten zugrunde liegenden Beträge.
Da der Antragsgegner die Vollziehung des angefochtenen Bescheides bereits durch Verrechnung mit dem Einkommensteuer-Guthaben aus dem Jahre 1995 vollzogen hat, begehrt der Antragsteller sinngemäß auch die Aufhebung dieser Vollziehungsmaßnahme gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Der Antrag ist schon deshalb statthaft, weil die Behörde bereits vor Anhängigkeit des gerichtlichen Verfahrens den bei ihr gestellten Aussetzungsantrag vom 23.1.1997 mit Bescheid vom 4.2.1997 abgelehnt hat (§ 69 Abs. 4 Satz 1 FGO). Dabei kann dahinstehen, ob in den Fällen der bereits stattgefundenen Vollziehung – wie hier durch Verrechnung mit einem Steuererstattungsanspruch – die Ablehnung eines Antrags durch die Behörde überhaupt erforderlich oder gegebenenfalls entsprechend § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO entbehrlich ist.
Der zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Insbesondere bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. v. m. Abs. 2 Satz 2 FGO).
Als verfahrensrechtliche Grundlage für den Bescheid, soweit er hier streitbefangen ist, kommt nur § 191 AO in Betracht. Nach Abs. 1 Satz 1 der genannten Vorschrift „kann” durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ist danach zweigliedrig. Zum einen ist zu prüfen, ob ein Haftungstatbestand erfüllt ist (voll überprüfbare Rechtsentscheidung). Zum andern ist zu entscheiden, ob und wer als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden soll (Ermessensentscheidung). Dabei hat die Behörde sowohl ihr Entschließungs- als auch ihr Auswahl ermessen nach Maßgabe des § 5 AO fehlerfrei auszuüben (so auch § 42 d Abs. 3 Satz 2 EStG für den Fall der Arbeitgeberhaftung für Lohnsteuer).
Vorliegend fehlt es an einer fehlerfreien Ermessensausübung. Die Behörde hat vielmehr überhaupt keine erkennbaren Ermessenserwägungen angestellt (sog. Ermessensausfall oder Ermessensnichtgebrauch).
Dies folgt schon daraus, daß der Antragsgegner die hier strittigen Beträge in seinem Bescheid vom 22.10.1996 überhaupt nicht als Haftungsschuld „nach § 42 d des Einkommensteuergesetzes und den entsprechenden Vorschriften des Kirchensteuergesetzes” erkannt und dementsprechend auch nicht...