rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unkenntnis des Steuerpflichtigen über seine Kirchensteuerpflicht, welche durch eine im Kindesalter in der ehemaligen DDR erfolgte Taufe begründet wird
Leitsatz (redaktionell)
1. Alle Religionsgesellschaften in Deutschland, die bereits vor Inkrafttreten der Weimarer Verfassung am 11. August 1919 Körperschaften des öffentlichen Rechts waren oder denen dieser Status unter der Geltung der Reichsverfassung verliehen worden war (im Streitfall die Pommersche Evangelische Kirche als eine der Rechtsvorgängerinnen der Nordkirche), waren weiterhin Körperschaften und sind es – ungeachtet der Nichtanerkennung durch die ehemalige DDR, deren Verfassung den Korporationsstatus nicht kannte – geblieben.
2. Auch in der ehemaligen DDR bewirkte die Kindstaufe, dass ein Mitgliedschaftsverhältnis zu der jeweiligen Religionsgemeinschaft ohne Berücksichtigung des Willens des betroffenen Kindes begründet wird.
3. Die Anknüpfung der Kirchenzugehörigkeit und damit der Kirchensteuerpflicht, an eine im Kindesalter erfolgte Taufe begegnet unter dem Gesichtspunkt der Glaubensfreiheit auch dann keinen Bedenken, wenn ein Kirchenaustritt nur mangels Kenntnis des Betroffenen von dieser Taufe unterbleibt.
4. Da im Rahmen der Einkommensteuererklärung nach der Religionszugehörigkeit gefragt wird und diese Frage vom Steuerpflichtigen nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten ist, ist es seine Aufgabe, sich bei zur Verfügung stehenden Auskunftspersonen nach einer etwaigen, ohne sein Wissen durch eine Taufe im Kindesalter begründeten Kirchensteuerpflicht zu erkundigen.
Normenkette
KiStG MV §§ 4, 6 Abs. 2, § 24 Abs. 1-2; GG Art. 4, 140; WRV Art. 137 Abs. 6; AO § 150 Abs. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Jahr 2015 kirchensteuerpflichtig war.
Der Kläger wurde am … 1963 in … geboren und am … 1964 in … getauft. Seine Haustaufe im evangelischen Glauben wurde unter der laufenden Nr. … im Taufregister … beurkundet. Taufpaten waren Herr … und Frau …. Nach eigenen Angaben des Klägers ging er drei Jahre lang in den Kindergarten und die Vorschule in …, wurde 1970 in der POS … eingeschult, war Anfang der 70er Jahre Jungpionier, danach Thälmannpionier und wurde anschließend in die FDJ aufgenommen. Mit 14 Jahren erhielt er die Jugendweihe, wurde 1978 an die EOS … delegiert, leistete … seinen Grundwehrdienst in der NVA in … ab und begann im Jahr … ein Studium an der Universität …. Ab 1988 war er Abteilungsleiter eines ACZ. Ab dem Jahr 1991 übte er eine selbständige gewerbliche Tätigkeit aus.
Der Kläger reichte am … 2016 durch elektronische Übermittlung seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 beim Beklagten ein. In der Zeile „Religion” trug er „nicht kirchensteuerpflichtig” ein. Seiner Erklärung fügte er eine Steuerbescheinigung der … AG für das Kalenderjahr 2015 bei, in der u. a. Kirchensteuer zur Kapitalertragsteuer für die Evangelisch-Lutherische Kirche (Zeile 49 Anlage KAP) i. H. v. … EUR bescheinigt wurde.
Mit dem Bescheid vom … 2017 setzte der Beklagte neben der Einkommensteuer i. H. v. … EUR eine Kirchensteuer i. H. v. … EUR fest. Die von der Bank einbehaltene und abgeführte Kirchensteuer zur Kapitalertragsteuer i. H. v. … EUR wurde in Abzug gebracht. Die Einkünfte des Klägers stammten im Wesentlichen aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer und aus Vermietung und Verpachtung von bebauten Grundstücken und zu einem geringen Teil aus privaten Veräußerungsgeschäften.
Dagegen legte der Kläger am … 2017 Einspruch mit der Begründung ein, von seiner Taufe und der daraus resultierenden Kirchenmitgliedschaft keine Kenntnisse gehabt zu haben. Er sei weder konfirmiert worden noch habe er kirchlich geheiratet. Im Übrigen wies er auf den Beschluss des VerfGH des Landes Berlin vom 15.04.2011 (Az. 131/10) hin.
Der Beklagte holte eine Stellungnahme des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Kirche ein. Dieses teilte im Schreiben vom … 2017 zusammenfassend mit, dass der Kläger getaufter evangelischer Christ mit Wohnsitz im Gebiet der Nordkirche sei, er erst am …..2016 seinen Kirchenaustritt erklärt habe und nicht ausschließlich einer anderen Kirche oder Religionsgemeinschaft angehöre. Damit sei er Kirchenmitglied i. S. v. Artikel 9 Abs. 2 der Verfassung der Nordkirche.
Mit der Einspruchsentscheidung vom … 2017 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Auf die Gründe der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.
Der Kläger hat am … 2017 Klage erhoben.
Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor, dass eine Kommunikation seiner Eltern, der Kirche sowie staatlicher Behörden zum Thema Kirchenzugehörigkeit und Taufe ihm gegenüber nicht erfolgt sei. In seinen Steuerklärungen seit 1991 habe er ohne jeden eigenen Zweifel angegeben, keiner Konfession anzugehören. Erst im Dezember 2016 sei ihm bewuss...