Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedarfsbewertung eines Grundstücks, für das eine Vergleichsmiete nicht feststellbar ist. Gebäudewert. Berücksichtigung von Teilwertabschreibungen. Nachweis eines geringeren gemeinen Werts durch ein Gutachten. keine Berücksichtigung von erst nach dem Bewertungsstichtag zutage getretenen Baumängeln
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Bedarfsbewertung eines Grundstücks kann die übliche Miete anhand der Mieten für vergleichbare Grundstücke und Gebäude geschätzt werden und – außer aus Mietspiegeln oder Mietdatenbanken – auch aus Vergleichsmieten abgeleitet werden.
2. Ob es in Fällen, in denen sich eine Vergleichsmiete nicht ermitteln lässt, zulässig ist, die übliche Miete aus einem zeitnah nach dem Bewertungsstichtag abgeschlossenen Mietvertrag über dasselbe Objekt abzuleiten, kann dahinstehen, wenn der Mietvertrag durch – unübliche – Besonderheiten geprägt ist.
3. § 146 Abs. 2 S. 1 BewG i. d. F. des JStG 2007 lässt Raum, die Jahresmiete nicht retrospektiv, sondern für den Zeitraum von einem Jahr ab dem Besteuerungszeitpunkt zu bestimmen.
4. Bei der Bewertung nach § 147 Abs. 1 BewG bestimmt sich der Wert der Gebäude nach den ertragsteuerlichen Bewertungsvorschriften. Bei bilanzierenden Steuerpflichtigen, bei denen das Grundstück zum ertragsteuerlichen Betriebsvermögen gehört, ist dies der Steuerbilanzwert unter Berücksichtigung sämtlicher Abschreibungen, unabhängig von ihrer bilanztechnischen Behandlung, und sonstiger Minderungen. Grundsätzlich sind daher auch Teilwertabschreibungen zu berücksichtigen, sofern ihre Voraussetzungen bereits im Besteuerungszeitpunkt vorgelegen haben.
5. Für den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes i. S. d. § 138 Abs. 4 BewG trifft den Steuerpflichtigen nicht nur eine Darlegungs- und Feststellungs-, sondern eine Nachweislast. Der Nachweis ist erbracht, wenn dem vom Steuerpflichtigen beigebrachten Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger gefolgt werden kann.
6. Der Gebäudewert ist nicht um Sanierungsaufwand für Baumängel zu mindern, die sich erst nach dem Besteuerungszeitpunkt herausgestellt haben.
Normenkette
BewG § 138 Abs. 4, § 146 Abs. 3, § 147 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Abweichend von dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den … für Zwecke der Grunderwerbsteuer bei Anteilsvereinigung/-übertragung vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … wird der Grundbesitzwert für die wirtschaftliche Einheit in O, auf … EUR herabgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu … % und der Beklagte zu … %.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Grunderwerbsteuer bei Anteilsvereinigung für ein bebautes Grundstück. Zwischen ihnen ist insbesondere streitig, ob die Klägerin mit einem von ihr vorgelegten Gutachten einen niedrigeren gemeinen Wert nach § 138 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes – BewG – nachgewiesen hat und in dem Gutachten zu Recht ein Sanierungsaufwand für zum Besteuerungszeitpunkt noch nicht erkannte Baumängel berücksichtigt worden ist.
Die Klägerin war Eigentümerin eines in O gelegenen Grundstücks. Das Grundstück ist … qm groß, von denen … qm auf Ausgleichsflächen … entfallen, und liegt im Geltungsbereich eines rechtskräftigen Bebauungsplans. Für den Bereich der Stadt O hatte der Gutachterausschuss zum Stichtag … für Gewerbebauland in Bebauungsplangebieten einen Bodenrichtwert von … EUR/qm beschlossen und für Acker- und Grünland Bodenrichtwerte von …EUR/qm bzw. …EUR/qm abgeleitet. Die Klägerin ließ auf dem Grundstück im Jahr … einen … (nachfolgend: Gebäudekomplex oder Anlage) errichten. Der Gebäudekomplex bestand im Wesentlichen aus ….
Die Klägerin überließ das Grundstück und den Gebäudekomplex der A KG (nachfolgend: Betriebs KG), die zunächst den Betrieb der Anlage übernahm, zur Nutzung. Der Nutzungsüberlassung an die Betriebs KG lagen ein Immobilien-Leasingvertrag und ein Mietkaufvertrag vom … nebst Nachtrag vom … zu Grunde, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Beiakte „A”, Anlagen K 10 und K 11, eingereicht mit Schriftsatz der Klägerin vom …). Gegenstand des Immobilien-Leasingvertrages war das mit … bebaute Grundstück, Gegenstand des Mietkaufvertrages waren … und diverse Mobilien. Der Nachtrag zum Immobilien-Leasingvertrag sah unter anderem nachfolgende Mieten, Mieterdarlehen und Mietvorauszahlungen vor (Beträge in Euro):
Zeitraum |
Mieten |
Gesamtbetrag |
Mietvorauszahlungen |
Mieter- Darlenen |
… |
… |
… |
… |
… |
Nach d...