rechtskräftig
Nachgehend
Tenor
Das Verfahren wegen der Einfuhrumsatzsteuer wird eingestellt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Der Streitwert beträgt bis zum 6. November 1992 1.731.565 DM, für die Zeit danach 1.219.406 DM.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten nach Rücknahme der Klage wegen Einfuhrumsatzsteuer noch um die Erhebung von Zoll aus der Einfuhr von Orangen aus Kuba.
Die Klägerin mit Sitz im … der Stadt … schloß mit dem Kubanischen Außenhandelsunternehmen … einen Vertrag über die Lieferung von 20.000 t Orangen im IV. Quartal 1990 auf der Basis von Transferrubeln. Sie trägt vor, daß sie diesen Vertrag im Vertrauen darauf geschlossen habe, daß die Zollfreiheit zwischen RGW-Ländern auch nach der Währungsunion Bestand habe. Hierzu beruft sie sich auf ein Informationsblatt des Ministeriums für Wirtschaft der DDR, daß das Referat für Öffentlichkeitsarbeit am 6. August 1990 herausgegeben hatte (Blatt 11 Streitakte). Dort heißt es zu Übergangsregelungen im Handel mit RGW-Ländern (Seite 3), daß nach dem Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion „unter Berücksichtigung der bestehenden Vereinbarungen und abgeschlossenen Verträge der Handel mit den RGW-Ländern bis Ende 1990 zollfrei und ohne andere Eingangabgaben durchgeführt” werde, jedoch nur soweit die Gegenseitigkeit gewahrt bleibe.
Die Orangen gingen per Schiffsfracht im … Hafen ein. Der Beklagte verneinte die Zollfreiheit und forderte 20 % Zoll (Warennummer 08051041):
Bescheid |
Zoll |
vom 13. November 1992 |
539.115,00 DM |
vom 15. November 1992 |
680.291,30 DM |
|
1.219.406,30 DM |
Der Beklagte gab die Ware erst frei, nachdem die Eingangsabgaben bezahlt waren.
Nach erfolglosem Vorverfahren trägt die Klägerin mit ihrer Klage vor: Die Bescheide seien rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Nach § 2 Abs. 1 der Zolltarifverordnung der DDR vom 27. Juni 1990 sei Zollfreiheit für alle Warenlieferungen aus RGW-Ländern gewährt worden. Auf den Fortbestand dieser Zollfreiheit habe die Klägerin vertrauen können, da Artikel 13 Abs. 2 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirschafts- und Sozialunion für die „gewachsenen außenwirtschaftlichen Beziehungen der DDR”, insbesondere für bestehende vertragliche Verpflichtungen gegenüber den Ländern des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), Vertrauensschutz gewähre. Nur im Hinblick auf die als sicher angenommene Zollfreiheit habe die Klägerin den Kaufvertrag mit dem kubanischen Lieferanten geschlossen. Ein nicht vorhersehbarer Kostenfaktor in Höhe der Steuerbelastung sei aus dem Geschäft nicht finanzierbar.
Ein Vertrauensschutz sei auch nach Artikel 29 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages vorgesehen. Darauf habe sich schließlich auch die Informationsschrift des Wirtschaftsministers der DDR gestützt.
Die Erhebung der Steuer verletzte das Rechtsstaatsprinzip, da nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Regeln über die Rückwirkung von Gesetzen eine Änderung der Rechtslage zum 3. Oktober 1990 (Tag der Wiedervereinigung) nicht hätte vorgenommen werden dürfen. Auch bei einer unechten Rückwirkung wie im Streitfall dürfe durch Gesetz kein entwertender Eingriff vorgenommen werden, mit dem der Bürger nicht habe rechnen können, so daß ein angemessener Ausgleich zwischen dem Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage, der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für die Allgemeinheit und der grundrechtsmäßigen Ausgewogenheit zwischen den Beteiligten verfehlt werde. Die erforderliche Übergangsregelung zur Angleichung an das ab dem 3. Oktober 1990 geltenden EG-Recht sei zwar im Verhältnis zu den osteuropäischen RGW-Ländern geschehen, nicht aber gegenüber dem RGW-Land Kuba. Dadurch werde das im Artikel 20 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip verletzt. Die Benachteiligung der Kuba-Importe verstoße im übrigen gegen das Willkürverbot und damit gegen Artikel 3 GG.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über Zoll vom 13. November 1990 und vom 15. November 1990 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 1991 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor:
Nach Artikel 10 Absatz 2 des Einigungsvertrages seien die EG-Rechtsakte auch im Beitrittsgebiet wirksam geworden, soweit nicht Ausnahmeregelungen getroffen worden seien. Für Waren mit Ursprung in Kuba gebe es keine Ausnahmeregelung.
Aus Art. 29 Abs. 1 Einigungsvertrag könne kein Vertrauensschutz hergeleitet werden, der bereits durch Abs. 2 insoweit eingeschränkt sei, daß sich die gesamtdeutsche Regierung mit der Europäischen Gemeinschaft über Ausnahmeregelung abstimmen werde. Die Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik hätten nach Art. 40 Abs. 1 des Einigungsvertrages nur insoweit Gültigkeit, als nicht mit dem Einigungsvertrag (Art. 29 Abs. 2) ab...