rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kapitalertragsteuerabzugsverpflichtung einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Jersey. Ort der Geschäftleitung bei inländischer faktischer Geschäftsführung

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Frage des Orts der Geschäftsleitung (§ 10 AO) kommt es darauf an, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird. Nicht entscheidend ist, wie das Ergebnis dieser Willensbildung letztlich umgesetzt wurde. Maßgeblich für die persönliche Zurechnung der Geschäftsleitungstätigkeit ist die Handlung der Personen, die die finale Entscheidungsbefugnis besitzen. Abzustellen ist auf die sogenannte laufende Geschäftsführung „Tagesgeschäfte”). Zu ihr gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb der Gesellschaft mit sich bringt und solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören.

 

Normenkette

AO §§ 10-11, 169 Abs. 2 S. 2; KStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 44 Abs. 5 S. 1; FGO § 69 Abs. 3

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 69 % und der Antragsgegner zu 31%.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob die Antragstellerin (AStin.) ihren Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AbgabenordnungAO –) im Inland hat und deshalb als unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KörperschaftsteuergesetzKStG –) zum Abzug der Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) verpflichtet war.

Die AStin. ist eine Kapitalgesellschaft (Limited) mit statutarischem Sitz in Jersey. Ihr einziger Gesellschaftszweck ist die Beteiligung als Kommanditistin an der in X ansässigen A KG, an der sie rund 84 % des Kommanditkapitals hält.

An der AStin. ist über sog. Founder Shares (Gründeranteile, die zwar Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung, jedoch keine Beteiligung am Gewinn und an den Vermögensgegenständen der AStin. gewähren) die I GmbH mit Sitz in X beteiligt. Weitere Anteile in Form von sog. Participating Shares werden von internationalen Investoren gehalten, die zwar volle Beteiligung an sämtlichen Gewinnen und Vermögensgegenständen der AStin., jedoch keine Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung gewähren. Die AStin. ist als sog. Feeder Fonds zwischen die internationalen Investoren und die A KG geschaltet mit dem Ziel der Bündelung der internationalen Investoren in einer Gesellschaft.

Die AStin. und mittelbar deren internationale Investoren sowie die inländischen Investoren/Kommanditisten hatten sich verpflichtet, der A KG Eigenkapital für Investitionen in Beteiligungen an nicht an der Börse gehandelten Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die A KG als sog. Masterfonds erwarb Beteiligungen an Unternehmen mit dem Ziel, diese nach einigen Jahren mit Gewinn weiterzuveräußern (sog. Zielfirmen). Das Management wird durch die M GmbH als geschäftsführende Komplementärin durchgeführt. Für die M GmbH sind geschäftsführend …, … und … tätig, die auch die alleinigen Gesellschafter der I GmbH sind.

Die AStin. residiert auf Jersey in den Büroräumen der F Services Limited (F) und wird jeweils durch zwei auf Jersey ansässige Geschäftsführer (Direktoren) vertreten. Die Geschäftsführer sind Mitarbeiter der F, von der sie jeweils gestellt wurden.

Zwischen der AStin. und der F wurde ein als Engagement Letter bezeichneter Dienstleistungsvertrag (Übersetzung in Anlage 2 elektronisch zur Stellungnahme des Finanzamts vom 27.02.2023) abgeschlossen, nach dem die F gegen eine fixe Verwaltungsgebühr i.H.v. 24.000 Pfund jährlich Dienst- und Verwaltungsleistungen an die AStin. erbringt und zwei nicht namentlich benannte Direktoren gegen eine „Responsibility Fee” i.H.v. 2.500 Pfund jährlich je Direktor stellt. In Tz. 9 des Dienstleistungsvertrags werden die Personen bestimmt, die gemäß den in Tz. 2.1.21.der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Übersetzung in Anlage 3 elektronisch zur Stellungnahme des Finanzamts vom 27.02.2023) dort näher definierten „Proper Instructions” (ordnungsgemäße Weisungen) gegenüber F erteilen können, u.a. …, … und ….. U.a. gehören zu den ordnungsgemäßen Weisungen die Erledigung von Zahlungen und Begleichung von Ausgaben, die Vorbereitung und Ausgabe von Entnahmen an die Gesellschafter der AStin., die Vorbereitung und Durchführung von Ausschüttungen von Erträgen oder Kapital, die die AStin. erzielt hat, und die Freigabe von Auslagen und Kosten von mehr als 2.500 Pfund je Vorgang, die der F entstehen bzw. die sie namens der AStin. übernimmt.

Die AStin. wurde beim Finanzamt als beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft erfasst und entsprechend den eingereichten Erklärungen unter Angabe der Adresse in Jersey zur Körperschaftsteuer 2012-2019 veranlagt. Angaben zu erfolgten Ausschüttungen in den Streitjahren wurden in der Anlage WA nicht gemacht. Als gesetzlicher Vertreter wurde …, Jersey angegeben. Angaben über den Dienstleister F erfolgten nicht. Aufgrun...

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