Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage, wann "eine Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten" i. S. des § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe b EStG vorliegt

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Zeitraum zwischen der Beendigung der Ausbildung zur Arzthelferin und dem Beginn der neuen Ausbildung zur Krankenschwester ist keine Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten.

 

Normenkette

EStG 1997 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 63 Abs. 1 S. 2; FGO § 69

 

Tatbestand

Der Antragsteller (ASt) bezog für seine am 8. August 1979 geborene Tochter Elisabeth Kindergeld. Die Tochter beendete im Juli 1998 mit der erfolgreichen Ablegung der Abschlußprüfung die Ausbildung zur Arzthelferin (Ausbildungsvergütung von 1. Januar 1998 bis 31. Juli 1998 lt. Lohnsteuerbescheinigung 7.423,35 DM). Im August 1998 war sie an ihrer (vorherigen) Ausbildungsstelle als Arzthelferin beschäftigt (Bruttoarbeitslohn lt. Lohnsteuerbescheinigung 2.566,-- DM). Vom 1. September 1998 bis zum 4. Oktober 1998 erhielt Elisabeth Arbeitslosengeld (für September 1998: 649,50 DM, für Oktober 1998: 86,60 DM). Am 7. Oktober 1998 unterzeichnete sie einen Vertrag zur Ausbildung als Krankenschwester. Nach den Feststellungen im Behördenverfahren hatte sie sich bereits am 28. Juli 1997 um die Ausbildungsstelle beworben und bei der Arbeitslosmeldung am 26. August 1998 auf die neue Ausbildung hingewiesen. Die Ausbildungsvergütung für die Zeit von Oktober bis Dezember 1998 betrug 4.343,27 DM.

Der Antragsgegner (das Arbeitsamt - AA -) beurteilte die Monate August und September 1998 als Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten und errechnete ganzjährig für 1998 eine Summe aus Einkünften und Bezügen der Tochter des ASt i. H. v. 12.709,-- DM. Da der Jahresgrenzbetrag von 12.360,-- DM überstiegen war, verfügte das AA die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab 1. Januar 1998. Gleichzeitig wurde das für Januar bis Juli 1998 ausbezahlte Kindergeld (2.100,-- DM) zurückgefordert (Bescheid vom 10. März 1999). Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 26. April 1999). Die dagegen geführte Klage ist bei Gericht unter dem Aktenzeichen 12 K 2393/99 anhängig.

Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das AA mit Verfügung vom 20. September 1999, bestätigt mit Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 1999 ab.

Zur Begründung des Antrags wird geltend gemacht: Bei den beiden Ausbildungen zur Arzthelferin bzw. zur Krankenschwester handle es sich um zwei völlig verschiedene und nicht um aufeinander aufbauende Berufsausbildungen, so daß nicht von Ausbildungsabschnitten gesprochen werden könne. Daher sei der Monat August 1998 (u. U. auch der Monat September 1998) nicht in die Einkünfteermittlung einzubeziehen. Das habe zur Folge, daß der schädliche Grenzbetrag von Einkünften / Bezügen unterschritten werde.

Der Antragsteller beantragt (sinngemäß), den Rückforderungsbescheid über 2.100 DM Kindergeld vom 10. März 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. April 1999 für die Dauer der Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage von der Vollziehung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Er vertritt den Standpunkt, daß ein Kindergeldanspruch für das Jahr 1998 dem Grunde nach durchgehend zu bejahen sei und demzufolge die im Jahr 1998 insgesamt erzielten Einkünfte und Bezüge maßgeblich seien.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist begründet.

Eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) soll u. a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Derartige Zweifel sind im allgemeinen gegeben, wenn nach dem vorliegenden Streitstoff neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der streitentscheidenden Rechtsfrage bewirken (BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/67, BStBl III 1967, 182). Dem Antrag ist stattzugeben, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes spricht; anderenfalls ist er abzulehnen.

Im Streitfall führt der Antrag zum Erfolg.

Entgegen der Ansicht des AA steht dem ASt für den Monat August 1998 kein Anspruch auf Kindergeld zu. Die Voraussetzungen von § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2b i. V. m. § 63 Abs. 1 S. 2 EStG, wonach ein Kind, das wie im Streitfall noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt wird, wenn es sich in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von höchstens vier Monaten befindet, sind nicht erfüllt. Aus der gesetzlichen Wortwahl "zwei Ausbildungsabschnitte" wird deutlich, daß es sich um die Zwischenzeit zwischen Abschnitten einer im Gesamtzusammenhang stehenden Ausbildung handeln muß und demgegenüber zwei verschiedene Ausbildungen nicht betroffen sind. Unter der Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten sind daher die unterrichts- und vorlesungsfreien Zeiten während einer Ausbildung wie auch die Zeiten zwischen innerlich zusammenhängenden, aufeinander aufbauende...

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