rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Innergemeinschaftlicher Versand von Tabakwaren im aktiven Veredelungsverkehr
Leitsatz (redaktionell)
Es ist fraglich, ob für Tabakwaren, die im Rahmen eines aktiven Veredelungsverkehrs aus nicht verbrauchsteuerpflichtigen Rohtabak hergestellt werden und zwischen Steuerlagern in Mitgliedstaaten ohne Zollförmlichkeiten befördert werden können, zusätzlich ein verbrauchsteuerrechtliches Begleitdokument erforderlich ist.
Normenkette
RL Nr. 92/12/EWG Art. 5 Abs. 1-2, Art. 15 Abs. 1, 4, Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1-3; ZK Art. 84 Abs. 1 Buchst. a; ZKDV Art. 512 Abs. 1; TabStG § 18 Abs. 3, § 21 S. 1 Nr. 1; TabStV § 17 Abs. 1, 3, § 20 Abs. 1, § 23 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art. 234 Unterabs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- Ist Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie Nr. 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. EG Nr. L 76/1 – RL Nr. 92/12/EWG) dahingehend auszulegen, dass verbrauchsteuerpflichtige Nichtgemeinschaftswaren, die sich im Verfahren der aktiven Veredelung nach Art. 84 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex – ZK) befinden, auch dann als unter Steueraussetzung stehend gelten, wenn sie erst nach der Einfuhr nicht verbrauchsteuerpflichtiger Waren im Verfahren der aktiven Veredelung aus diesen hergestellt werden, so dass entsprechend dem 15. Erwägungsgrund der RL Nr. 92/12/EWG bei deren Beförderung kein Begleitpapier nach Art. 18 Abs. 1 der RL Nr. 92/12/EWG zu verwenden ist?
Wenn die erste Frage zu verneinen ist:
Ist Art. 15 Abs. 4 der RL Nr. 92/12/EWG dahingehend auszulegen, dass der Nachweis dafür, dass der Empfänger die verbrauchsteuerpflichtigen Waren übernommen hat, auch in anderer Weise geführt werden kann als mittels des in Art. 18 der RL Nr. 92/12/EWG genannten Begleitdokuments?
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob für Tabakwaren, die im aktiven Veredelungsverkehr zwischen zwei Mitgliedstaaten aufgrund einer einzigen zollrechtlichen Bewilligung ohne (weitere) Zollförmlichkeiten befördert werden können, zusätzlich ein bestätigtes Begleitdokument im Sinne der RL Nr. 92/12/EWG erforderlich ist.
Die Klägerin führt im aktiven Veredelungsverkehr Rohtabak aus Drittländern ein, stellt daraus in Deutschland Schnitttabak her und versendet diesen nach Frankreich. Die englische Zollverwaltung erteilte ihr mit Wirkung vom 1. Juli 2002 eine einzige Bewilligung zur Durchführung eines europaweiten aktiven Veredelungsverkehrs im Nichterhebungsverfahren für Rohtabak. Für Versendungen von Deutschland in andere Mitgliedstaaten wurde ihr bewilligt, ein sog. IPR-Delivery Document als Handelsdokument für Zwecke des Tabaksteueraussetzungsverfahrens anstelle des begleitenden Verwaltungsdokumentes (bVd) zu verwenden. In der Anlage A der Bewilligung sind die Betriebsstätten der am aktiven Veredelungsverkehr beteiligten Firmen aufgeführt.
Am 13. Januar und 16. April 2003 versandte die Klägerin von ihrem Tabakwarenherstellungsbetrieb in X/Deutschland insgesamt über 4.000 kg Schnitttabak, der dort im Rahmen des bewilligten aktiven Veredelungsverkehrs aus Rohtabak hergestellt worden war, jeweils mit zugelassenem Lieferschein an die in der Anlage A der Bewilligung aufgeführte Betriebsstätte (Steuerlager) der Fa. L in Frankreich.
Diese bestätigte den Empfang des Schnitttabaks jeweils auf dem CMR-Frachtbrief. Auf den Lieferscheinen war der Vermerk angebracht, dass sie für tabaksteuerpflichtige Erzeugnisse gleichzeitig als begleitendes Verwaltungsdokument im Steueraussetzungsverfahren gelten.
Mit Bescheiden vom 27. Mai und vom 20. August 2003 forderte das HZA von der Klägerin für den mit o.g. Lieferscheinen versandten Schnitttabak Tabaksteuer i.H.v. insgesamt 144.550 EUR an, weil für diese Tabakwaren kein Rückschein eingegangen sei.
Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies das HZA mit seinen Einspruchsentscheidungen vom April 2005 als unbegründet zurück. Für den von der Klägerin nach Frankreich versandten Schnitttabak könnten hinsichtlich der Versendung und der Besteuerung die Vorschriften für Zölle nicht angewendet werden, weil nach § 23 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Tabaksteuergesetzes (TabStV) die Regelungen für Zölle bei Tabakwaren, die im Rahmen einer aktiven Veredelung hergestellt werden, nicht anwendbar seien. Das Versenden der streitgegenständlichen Tabakwaren von Deutschland nach Frankreich hätte daher durch eine amtliche Bestätigung der französischen Zollbehörden auf dem zugelassenen innerbetrieblichen Lieferschein bestätigt werden müssen.
Die dagegen erhobenen Klagen wurden vom Finanzgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Klägerin begründet ihre Klagen im Wesentlichen wie folgt:
Nach § 21 Satz 1 Tabaksteuergesetz (TabS...